Veranstalterin, Moderatorin und Musikerin Steffi Biederstädt im Interview

So, genug mit Punk! Heute springen wir mal in ein anderes Genre und lassen Steffi, die als Veranstalterin und Moderatorin tätig ist, zu Wort kommen. Eine eigene Stoner Band hat sie außerdem auch und jede Menge zu berichten, was man sich durchaus auch mal von der anderen Blase aus reinlesen kann. Also Bühne frei:

Hallo Steffi, schön, dass du zeit gefunden hast. Du veranstaltest ja selbst eine Stoner-Konzert-Reihe und auch noch weitere Events. Wann hast du damit angefangen und wie kam es überhaupt dazu? Was hast du da alles auf dem Plan?

Hier in Rostock gibt einen Club namens Bunker, mit dem hab ich schon ewig zu tun, weil ich damals als Studenten-Job regelmäßig Flyer und Plakate für Bunker-Veranstaltungen in der Stadt verteilt hab. Weil ich schon immer gern zu meinen Lieblingssongs gesungen hab, habe ich vor 10 Jahren dort mit einer Karaoke-Veranstaltung begonnen, die nur Pop/Rock/Metal-Songs anbietet und bei der man alle paar Monate auch mal mit einer Live-Band singen kann. Außerdem trat ich in den Verein Kulturkombinat e.V. ein (ein Bunker-naher Verein, der kulturelle Veranstaltungen plant), in dessen Vorstand ich mittlerweile bin.

Da ich auch selbst anfing, Musik zu machen und in den Proberäumen Rostocks umherstreunte, kannte ich immer mehr lokale Bands und wurde von den Betreibern des Bunkers um Rat gefragt, welche Bands denn bei einem Clubgeburtstag spielen könnten. Da ich schon länger mal die Idee hatte, Konzerte mit Bands meines Lieblingsgenres Stoner Rock aufzuziehen, hab ich mich endlich mal getraut und fing mit Hilfe meines Vereins an, mein erstes Konzert zu organisieren. Das wurde dann zu einer Konzertreihe (Doomstone), die mittlerweile schon zum 35. Mal stattfand – circa einmal im Monat. Die Veranstaltung hat viele Stammgäste, die sehr dankbar sind, dass wir regelmäßig was veranstalten – in Rostock gab es für eine Weile mal eine Konzertflaute in der Rock-Szene.

Ich lade Bands aus ganz Deutschland ein – am meisten jedoch aus Berlin, wegen der Nähe und weil ich selbst oft in Berlin bin, um dort Konzerte zu besuchen und somit die Bands kennenlerne. Es gibt auch immer wieder Bands aus anderen Ländern die mit ihrer Tour bei uns vorbeikommen. Die Highlights waren bisher Kalamata (Hildesheim), Beehoover (Trier), Samavayo (Berlin), Dopelord (Polen) und Kaleidobolt (Finnland). Mir ist es wichtig die lokale Szene zu unterstützen und so organisiere ich die Konzerte immer so, dass auch wenigstens eine lokale Band mitspielt.

Immer wieder tauchen in Interviews (vornehmlich mit Männern) Aussagen auf wie “Frauen lernen eben weniger gern Rock-Instrumente wie beispielsweise Gitarre” – du spielst selbst Gitarre in einer Band. Was denkst du über solche Ansichten? Wie kommt es deiner Meinung nach dazu?

Ich hab mir über diese Frage schon oft den Kopf zerbrochen, denn mir fiel auch auf, dass ich wenig Rockmusikerinnen kenne – in meinem direkten Umkreis (Proberäume im Bunker) gibt es nur zwei weitere weibliche Rock-Musikerinnen und das ist die Schlagzeugerin meiner Band und die Bassistin einer weiteren Band. Bestimmt ist es einerseits ein Genre-Thema, denn Gitarre oder Schlagzeug lernt man meist als Rock-Fan und nicht als Pop-Fan. Und ich vermute, dass weniger Frauen Rockmusik mögen. Aber warum das so ist, fällt mir schwer zu verstehen – vielleicht liegt es wirklich an den wenig bekannten Vorbildern.

Dann kommt aber noch dazu, dass Frauen sich manchmal einfach weniger zutrauen als Männer (damit hadere ich nämlich selbst) und sich möglicherweise auch nicht so gern präsentieren wollen, vielleicht auch weil sie die Notwendigkeit darin nicht sehen. In Interviews mit männlichen Rockmusikern hört man ja manchmal, dass sie mit dem Gitarre-Spiel nur angefangen haben, um die Mädchen in der Schule zu beeindrucken. So einen Grund haben Frauen wohl etwas seltener.

Auf jeden Fall freue ich mich immer sehr, wenn ich mal andere Musikerinnen treffe, mit denen ich mich austauschen kann.

Und was war deine Motivation selbst Musik zu machen?

Ich war als Teenie großer Ärzte-Fan und fing an mit einer Akustik-Gitarre deren Songs nachzuspielen. Ich hab dann jahrelang einfach zu Hause nur für mich meine Lieblingssongs von diversen Rockbands im Lagerfeuer-Style gespielt. Als ich vor ca. 7 Jahren anfing, Stoner Rock zu hören und zu lieben, entdeckte ich, dass die Riffs so einfach waren, dass ich mir vorstellen konnte, sowas auch mal auf einer E-Gitarre zu machen – soviel zum Thema, was man sich überhaupt zutraut, um anzufangen. Denn auf einer Akustik-Gitarre klingen die Riffs natürlich nicht so mächtig. Ein paar Jahre Jammen später habe ich mittlerweile eine vollständige Band zusammengetragen, also mit einem Bassisten und einer Schlagzeugerin – wir nennen uns Medulla. Allerdings hatten wir noch keinen Auftritt, das wollen wir demnächst mal in Angriff nehmen. Auf Bandcamp unter medullafuzz haben wir ein paar Proberaumaufnahmen veröffentlicht.

Beim Stoner Rock liebe ich die warmen tiefen fuzzigen Riffs, die mich einlullen und die so großartig grooven. Es ist ein tolles Gefühl, das selbst zu spielen und den Fuzz aus dem Verstärker zu hören.

Außerdem bist du auch im Radio in Sachen Metal und Stoner aktiv. Was genau machst du da?

Ich hatte mal bezüglich meiner Konzerte eine Anfrage von der Metal-Sendung Metltörn des Rostocker Lokal-Radios LOHRO – die haben mich und einen Freund aus dem Verein eingeladen um über Musik zu reden. Wir durften unsere Lieblingsmusik mitbringen und über die Konzerte sprechen. Das gefiel uns allen so, dass ich jetzt zusammen mit einem Moderator vom Metltörn in regelmäßigen Abständen ein Doomstone-Special mache, bei dem wir Neuerscheinungen aus dem Stoner-Rock-Bereich vorstellen.

Hast du in irgendeinem deiner Aktivitätsbereiche schon einmal negative Erfahrungen aufgrund deines Geschlechts gemacht?

Ich höre öfter das typische Vorurteil, dass man mich für eine Sängerin hält, wenn ich erzähle, dass ich in einer Band bin. Ich finde es gut, dass ich den Leuten dann zumindest kurz mal das Vorurteil nehmen kann. Beim Booken von Bands und beim Organisieren von Konzerten hab ich zum Glück überhaupt keine negativen Erfahrungen machen müssen. Die Szene ist aber auch klein und besteht eh aus so wunderbaren Menschen, die alle auf dem Teppich geblieben sind und sehr respektvoll miteinander umgehen. Und ich freue mich, dass es da auch viele Bookerinnen gibt, das finde ich sehr angenehm, weil der Umgang doch ehrlich gesagt oft noch etwas freundlicher und nicht nur trocken geschäftlich ist.

Da ich beruflich Software-Entwicklerin bin, habe ich auch schon oft ungläubige Blicke geerntet („Du als Frau?“), und Männer erlebt, die daraufhin mein Wissen testen wollten. Aber vielleicht wären sie auch bei Männern so, das kann ich nicht einschätzen.

Würdest du sagen es gibt einen Unterschied zur Repräsentation von Frauen und FLINTA*s in Metal/Stoner und Punk?

Jetzt muss ich mal was loswerden. Es nervt mich nämlich, dass im Stoner-Bereich noch so oft nackte/halbnackte Frauen auf Plattencovern und Plakaten zu sehen sind. Es gibt natürlich auch ästhetische Darstellungen von Frauen, die ich dann auch sehr begrüße, da jeder Frauenkörper natürlich wunderschön ist. Aber einige Abbildungen sind schon fast pornografisch und für mich sehr anstößig. Ich habe auch öfter schonmal Kritik in Kommentaren unter den Bildern geäußert und dann meist nur gehört, dass ich zu empfindlich sei… Ich glaube fast, dass der Stoner-Bereich da noch eine der wenigen Szenen ist, die sich in dem Bereich noch nicht genug weiterentwickelt haben. Metal und Punk haben das glaube ich schon besser hinbekommen.

Ansonsten fällt mir auf, dass die Beteiligung von Frauen in Bands noch so selten ist, dass es meist explizit hervorgehoben wird (z.b. durch „female fronted“ und andere Begriffe). Ich bin mir da nicht so sicher, ob das nun gut oder schlecht ist – einerseits ist es ja ganz schön darauf hinzuweisen, aber andererseits wollen die meisten Frauen für ihre Musik und nicht dafür, dass sie Frauen sind, bewertet werden. Ich glaube es kann nicht schaden, wenn sich die Szene da noch mehr mischt und es immer normaler wird, dass einfach alle Menschen gern Musik machen.

Was denkst du sind die Gründe, dass es immer noch keinen Geschlechterausgleich auf den Bühnen gibt?

Ich vermute, dass das Hauptproblem die fehlende Basis ist – meine empirische Beobachtung zeigt mir, dass es wohl sehr wenig weibliche Rock-Musikerinnen gibt, im Vergleich zu den Massen an Männer-Bands. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Booker für große Festivals immernoch gewisse Vorurteile haben. Meine Hoffnung und meine Vermutung ist aber, dass das immer besser wird. Die Gesellschaft entwickelt sich immer mehr dazu, dass jede(r) weiß, dass er/sie alles machen kann was er/sie will – Plattformen wie Youtube machen es vor, hier gibt es immer mehr Frauen an Instrumenten, die sich ein kleines Mädchen ansehen kann, das Vorbilder braucht. Mein heißer Tipp für Gitarristinnen ist z.B. Ayla Tesler Mabe.

Was war das letzte Konzert, das du vor Corona besucht hast oder sogar während der Pandemie, zum Beispiel im letzten Sommer?

Ich hab im September das Fuzztival in Esbjerg, Dänemark besucht. Es war ein Indoor-Sitz-Festival mit sehr gutem Hygiene-Konzept und ich habe dort u.a. eine meiner Lieblingsbands aus dem Stoner-Genre gesehen: Causa Sui. Das war für mich ein sehr großer Moment, vor allem nach so langer Konzertabstinenz. Im Oktober durfte ich dann nochmal im kurzen Corona-Zeitfenster ein Konzert selbst hier in Rostock veranstalten und ich habe Might aus Hannover eingeladen (female fronted, haha, jetzt hab ich‘s gesagt!) und die Rostocker Band Klatsche davor spielen lassen. Es war großartig, obwohl wir aufgrund der Sitzplätze nur 32 Leute reinlassen durften.

Einmal selbst entscheiden: Was wäre für dich das perfekte Festival-Lineup?

Das würde ich aus meinen alten und neuen Helden mischen, es ist also sehr unwahrscheinlich: Tool, Nine Inch Nails, Deftones, Windhand, Colour Haze, Elephant Tree.

Gibt es besondere Projekte, Bands, Labels, Kollektive oder sonst irgendwas, was du unseren Leser*innen empfehlen kannst? Willst du noch etwas loswerden, was bisher nicht zur Sprache kam?

Grundsätzlich möchte ich nochmal eine Lanze für mein Lieblingsgenre brechen, denn Stoner Rock ist eigentlich sehr eingängig, es kennt nur keiner die Bands. Falls ihr wissen wollt, von welcher warmen Decke ich rede, die euch umhüllt, wenn ihr diese Musik hört, dann hört euch mal das Album Temple von Colour Haze an!

Ich möchte auch alle Leser*innen dazu aufrufen immer schön auf Konzerte zu gehen, wenn man denn mal wieder darf und immer offen zu bleiben für unbekannte Bands und Vorbands – manchmal ist es so erstaunlich, was man entdecken kann. Und kommt mit den Bands ins Gespräch, sagt ihnen, wie ihr sie findet, die brauchen das. Eure Szene braucht Kommunikation, Connection und Offenheit für Neues, um sich weiterzuentwickeln.

Danke für deine Worte und das spannende Interview, liebe Steffi!