Kein Feigenblatt fürs Stadion: Ingo Donot im Interview

(Foto: Danny Kötter)

Interview von unserem liebsten Online-Redakteur Karsten Kriesel

Ein Fuß im Punk, den anderen in den Charts. Auf diese Art feiern derzeit eine Reihe Bands ihren Stromgitarren-Erfolg und die Donots aus Ibbenbühren mischen seit fast 30 Jahren inzwischen ganz oben mit. Die ersten 20 Jahre in feiner US-Amerikanischer Surf- und Emopunk-Manier, seit 2015 etwas direkter auf Deutsch. Ihr neues, zwölftes Album „Heut ist ein guter Tag“ bedient und verweigert gleichzeitig eine Reihe Szene- und Erfolgsstandarts. In einer sehr netten Plauderrunde macht Sänger Ingo „Donot“ Knollmann schnell, gern und oft klar, wie sehr sein Herz trotz Stadionkonzerten, Charts, Social Media- und Playlist Spielregeln immer noch hart für Subkultur schlägt. Und warum er mit dem Erfolg drumherum trotzdem kein Problem hat, solange man dabei nicht zu diplomatisch wird.

Karsten: Hallo Ingo. Das neue Donots-Album heißt „Heut ist ein guter Tag“ und beginnt mit den Worten: „Das ist der Weltuntergang“. Ja, was denn nun?
Ingo: Hi Karsten. Du weißt und fühlst das ja wahrscheinlich genauso wie wir alle: Als Subkultur-Zugehöriger stehst du ja immer mit einem Bein im Optimismus und dem anderen Pessimismus. Deswegen sind wir ja Punks geworden, weil man sich da so verstanden gefühlt hat. Ich finde es total wichtig, sich der Gesamtscheiße bewusst zu sein, denn die Gesamtscheiße ist Scheiße, da muss man nichts weiter dazu sagen. Aber es kommt darauf an, mit welcher Haltung du da durch stolperst. Da falle ich lieber die Treppe hoch als runter. Es ist liegt in der Verantwortung von jedem einzelnen, dass der Tag ein guter Tag wird, das ist das Grundthema des Albums. Es kann nicht jeder Tag der beste der Welt werden. Aber jeder hat in seiner Bubble, in seinem Wirkungskreis, ob klein, mittel oder groß, Möglichkeiten darauf einzuwirken, auf Leute einzuwirken und den Tag möglichst gut zu machen.

K: Das Album beginnt etwas kantiger als die letzten, dann wird es vielschichtiger. Hast Du für Dich ein musikalisches Gesamtbild von der Platte?
I: Wir sind die Platte Song für Song angegangen und haben nicht so sehr nach einem klanglichen Überbau gesucht. Die Spielart und Chemie zwischen uns Fünfen seit fast 30 Jahren sorgt sowieso dafür, dass es nicht allzu zerfahren wird. Wenn wir ein hartes, brülliges Riff hatten wie bei „Auf sie mit Gebrüll“, haben wir uns für den Songs genau auf dieses Gefühl gestürzt, hatten wir so „laid back“, Clash-mäßige Vibes wie „9 Leben“ haben wir geschaut, wie wir das maximiert kriegen. Am Ende hatten wir um die 17 Songs aufgenommen und die 15, die jetzt auf dem Album sind, fühlen sich nicht nach Mixtape an. Was uns klar war, dass wir zu wenig Fremdinstrumente wie möglich benutzen wollten, damit das Ganze Ramones-Schule mäßig kling und live auch so spielbar ist.

K: Was braucht ein Song, um ein guter Donots Song für die Platte zu sein?
I: Früher waren wir mehr in einem Konzept gefangen. Anfang der Nullerjahre hatten wir eine ganz klare Vorstellung davon, wie unser Sound zu sein hat. Da wurden auch Riffs über Board geworfen, die jetzt im Nachgang wahrscheinlich die Besten waren. Mittlerweile haben wir ein Selbstverständnis und Selbstvertrauen, dass alles, was wir machen erstmal gut gemacht wird, das wird schon gehen. Da kann dann eben auch so ein ganz ruhiger Song wie „Hey Ralph“ problemlos neben etwas wie „Es tut nur weh, wenn ich lache“ stehen.

K: Textlich geht es mal direkter zu, mal so hymnisch, dass schon die Phrase winkt. Gleichzeitig verweigert sich die Platte der scheinbar typischen „Thementabelle“ aktueller Punkplatten: Hier ein Song gegen rechts, da etwas fürs Klima, dann ein Partysong usw. Was sind Deine inhaltlichen Ansprüche?
I: Mit den letzten Platten und dem Wechsel zum Deutschen wurde uns oft attestiert, wir wären viel politischer geworden. Das stimmt insofern nicht, als das wir immer schon diese Themen beharkt haben, aber eben auf Englisch. Da lag es den Leuten nicht so auf dem Präsentierteller. Im Deutschen findest du markigere Worte, knackigere, direktere.
Aber wie du schon ganz richtig sagst, ich habe gar keinen Bock, so eine Checkliste abzufrühstücken, welche Texte auf einer Punkplatte sein müssen. Ich hoffe, du stimmst mir zu: Es kann niemals genug Aktivismus gegen rechts etwa geben. Aber viele Bands müssen sich schon gefallen lassen, dass sie solche Songs ein bisschen Feigenblatt mäßig machen, die nichts neues an den Tisch bringen. Die machen das mit, weil es schick ist. Das wollten wir nicht. Wir haben schon diverse Songs gegen rechts gemacht und wenn du in einer Sache schon mal besser oder knackiger warst, warum solltest du es nochmal machen? Lass mal die neue Platte nicht so Holzhammer mäßig werden lassen, haben wir uns gesagt. Messages dann eher im Subtext. Ich habe total Schiss, dass meine ganzen Lieblingsbands jetzt ankommen mit total bedeutungsschwangeren Zeigefingeralben weil gerade Corona war.
Und ja, es ist immer ein Spagat zwischen inhaltsschwer und kurz vor Phrase, das ist ein bisschen dem Popappeal geschuldet, den wir schon immer haben. Wir stehen halt mit einem Fuß in der Subkultur mit dem anderen im Stadion.

K: Apropos Stadion: Es ächzt seit Corona die gesamte Live-Branche. Glaubt man Euren Social Media Posts, sind Donots Konzerte aber immer voll…
I: Ich muss ganz ehrlich angeht, was das angeht, müssen wir echt großräumig die Fresse halten! Aus irgendeinem Grund haben wir das große Glück, dass wir im letzten Jahr die größten Shows unserer Laufbahn gespielt haben. Da waren 13.000 Leute in Münster! Und das in Zeiten, in den Shows verschoben und abgesagt werden und alle kotzen, dass sie keine Tickets verkaufen. Wir haben richtig Glück gehabt, auch, weil uns die Ärzte und die Hosen mit auf Tour genommen haben und wir immer nur zwischen dem einen und dem anderen Stadion hin und her gesprungen sind. Da sind wir sehr demütig und dankbar.
Gleichwohl kriegen wir natürlich mit, dass die Kacke überall dampft! Produktionskosten sind richtig krass explodiert. Die Frage ist, wo das auf lange Sicht hin führt? Was kann man den Leuten als Ticketpreis zumuten usw.? Und natürlich führen wir uns auch verantwortlich für unsere Crew. Deswegen haben wir in der Coronazeit ein Livealbum herausgebracht, zum Spendensammeln für unsere Roadcrew. Ich finde, das gehört zu einer Band, die aus der Subkultur kommt, dazu: Dass du auch die Hand unter den Arsch von den Leuten hältst, die dir sonst immer die Hand unter den Arsch halten.

K: Weil Du Ärzte und Hosen ansprichst: Als Ihr Euch mit Eurem Album „Karacho“ 2015 entschieden habt, auf Deutsch zu texten und zu singen Sie, war die die Welle erfolgreicher deutschsprachiger Punkbands abseits dieser beiden noch recht flach. Und ihr wart damals schon viel international unterwegs. Habt ihr diese Entscheidung als Risiko gesehen?
I: Total. Wir sind in den letzten 25 Jahren bei diversen Labels, bei denen wir in Lohn und Brot gestanden haben, immer wieder gefragt worden, mal ein Album auf Deutsch zu machen: ‚Es Peter Fox ist gerade so groß, Silbermond sind angesagt, blablabla…‘ Das hätte sich wie eine Auftragsarbeit angefühlt und das ist nicht, wie wir arbeiten. Für uns muss sich der Moment gut anfühlen. Lustigerweise war der dann auf unserer USA Tour, wo wir einen Monat mit Flogging Molly, CJ Ramone, Anti Flag und The Bronx unterwegs waren. Bei einem Offday kurz vor Las Vegas mitten in der Wüste ist uns klar geworden, warum die Leute bei Flogging Molly nochmal mehr durchdrehen als hier und jede Textzeile mitsingen, nicht nur die Refrains. Das kann halt nur daran liegen, dass die keine Transferleistung zu erbringen haben, weil die Texte in Muttersprache dich direkter treffen.
Also lass mal kucken, ob wir vielleicht irgendeine deutsche Platte auch mal hinbekommen. Aber bei allen von uns sind sofort die Alarmglocken angegangen und wir haben gesagt: Wenn das nur ein bisschen gesichtslos und Mainstream-poppig wird, verschwindet das im Giftschrank und wir reden nie wieder darüber!

K: Wie haben Sie dann umgeschwenkt und gemerkt, das geht doch?
I: Ich habe mir erstmal meine liebsten Deutschpunkplatten angehört: Altes But Alive Zeug, Dackelblut, Skeptiker und so Gedöns. Auch Muff Potter, Pascow und so Zeug, was aus unserer Ecke kam und man sowieso mitgekriegt hat. Ich habe mir dann auf der anderen Seite auch bewusst so Schlagersachen angehört, Radiozeug, um zu kucken, wo du nicht landen willst und nochmal zu wissen, was du an Deutschpop so Scheiße findest. Irgendwo dazwischen war die Wahrheit zu finden.
Als wir die Platte aufgenommen hatten waren wir uns immer noch nicht so sicher, bis uns Freunde gesagt haben: So direkt und so gut habt ihr noch nie geklungen, macht das! Unser Promoter hat uns auf raue See eingestellt, auf richtig Gegenwind und das Gegenteil war der Fall. 99% haben sinngemäß gesagt, warum hat das so lange gedauert, dass ihr so klingt!

K: In den letzten Jahren werden immer mehr Punkbands, die sich jahrelang in den Clubs abgerackert haben, plötzlich immer größer und kommen in die Charts: Dritte Wahl, Broilers, Baboon Show, Sondaschule, Pascow usw… Hast Du eine Erklärung dafür?
I: Auf der einen Seite kannst du sagen: Sign of the times. Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für authentische Texte und Gegenkultur. Auf der anderen Seite ist es so, dass bei der ganzen „neuen“ Internetkultur, den YouTube Stars für fünf Minuten die Schere immer weiter aufklappt zwischen Sachen, die sich nachhaltiger verkaufen und die nicht. Du kannst Leute nur eine bestimmte Zeit lang verarschen und denen Scheiße verkaufen. Sportgitarrenmusik ist nicht so groß wie Hip Hop heutzutage, aber es schweißt die Leute umso mehr zusammen. Denn sie kriegen etwas, das lebt und gelebt ist, nicht irgendwelchen Ismen oder Standarts entsprechen muss, um möglichst viele Leute abzufrühstücken. Leute, die sich Subkulturmusik anhören, goutieren das wahrscheinlich eher, wenn sich Leute über lange Zeit den Arsch aufreißen.

K: Gibt es Dinge, die als ‚kleine‘ Punk-Combo einfacher waren?
I: Dieses „Don’t look back in anger“ habe ich nicht. Ich glaube, dass alles, was wir getan haben, auch die Fehler, die wir gemacht haben, dazu geführt haben, dass wir sind, wer heute sind. Natürlich war das damals ultra spannend, durch die Lande zu tingeln und alles hat sich ganz frisch und neu angefühlt. Jeder Abend war ein First time Erlebnis. Das hast du nach 1400 Konzerten natürlich so nicht mehr, wir kennen jeden Club in und auswendig. Aber dafür hast du ganz andere Highlights. Tatsächlich macht es mich sauglücklich, dass man sich nach fast drei Dekaden immer noch überraschen kann im Studio und Leute gewillt sind, sich das anzuhören. Und das wir nicht so eine Band sind, die seit 15 oder 20 Jahren ihrem eigenen Schatten hinterher läuft. Und das, was wir jetzt haben, darf niemals normal werden! Du musst einfach sau demütig bleiben und die eigene Band auch aus Fanperspektive ansehen. Ich finde das ganz schlimm, wenn meine Lieblingsbands altersmilde und müde werden oder mit dem Blick auf eine Uhr am Bühnenrand meinen, sich nicht mehr verbiegen zu müssen. Der Anspruch muss sein: Jede Show muss die fucking beste der Welt werden!
Wenn du so high and mighty durch die Gegend läufst, wie so manche Stadion-Ami-Produktion, die alles minutiös getimed abspulen, die Choreografien von irgendwelchen geilen Gesten auf der Bühne machen, weil die gerade der Szene entsprechen. Looking at you, Impericon und so 😉 Das ist ekelhaft, so kannst du nicht rangehen.

K: Wenn ich mal meine „Punk“ Konzerte im Januar ankucke: Da ging von den ganz frischen Elektropunx von Soko Linx, zur Abschiedstour der Uk Subs, die es seit 1976 gibt. Von Akustik-Fahnenwedelei mit den noch übrigen Ton Steine Scherben zu den Avantgarde Postpunks von Gewalt. Von der verrauchten Lxwx in Connewitz mit Call the Cops zu Danger Dan im Gewandhaus. Was ist denn überhaupt Punk?
I: Ich glaube Punk ist ab da tot, wo du Punk definierst. Ich will mich da gar nicht aus dem Fenster lehnen, ich habe meine Definition für mich und jeder hat für sich eine eigene. Solange du deinen Scheiß zu deinen Konditionen durchziehst, Fragen stellst, nicht alles einfach so hinnimmst, Dinge so angehst, dass du tendenziell die Welt zu einem besseren Ort machst für einen kurzen Moment, dann ist das schon ziemlich Punk. Aber natürlich ist Punk heute auch eine ziemlich ausgehölte Phrase bzw. ist es ganz schick, sich Punk zu nennen.
Ich definiere mich nicht nur durch die Sachen die ich mache, sondern auch durch die Sachen, die ich nicht mache. Ein Nein kann ein genauso krasses Statement sein, wie ein Ja. Du kannst erstmal alles machen, die Frage ist, wie du es machst. Da kannst du auf Festivals spielen oder in Fernsehsendungen gehen, die vielleicht nicht so dein Turn sind, aber wenn du das zu deinen eigenen Konditionen durchziehst und vielleicht ein paar Leute dabei auf die Füße trittst, dann ist das so frei, wie man leben sollte.

K: Kann man denn als „Punk“ noch Leuten auf die Füße treten? Oder will das Punk noch? Viele Bands schreiben sich heute vorsichtshalber Triggerwarnungen vor ihre Videos und Texte, um möglichst allumfassend aware niemanden vor den Kopf zu stoßen…
I: Ich bin ja eigentlich ganz froh darüber, dass Punk und Leftism gerade auf Wiedervorlage gelebt wird. Dass gewisse „Traditionen“ gebrochen werden oder zumindest hinterfragt. Nimm dir etwa die Descendents, eine meiner All Time Lieblingsbands, im Song „I’m not a Looser“ gibt es die Textzeile „you fucking homo“, das war damals ganz klassischer Sprachgebrauch als Beschimpfung. Mittlerweile haben sie sich davon distanziert und singen „you fucking disco“, aber das Ding besteht weiter auf Platte. Es ist gut, dass so etwas in Frage gestellt wird!
Es ist super und wichtig, dass Sichtbarkeit von Frauen endlich ein Thema ist! Ich habe nur ein großes Problem damit, wenn die Überschriften größer als die Inhalte sind. Und auch da, wenn man Dinge tut, weil man denkt, dass das en vogue ist, schick oder Feigenblatt mäßig und nicht, weil man das so fühlt. Und das Gefühl habe ich momentan bei ganz vielen Bands: Da werden Awareneskonzepte für Konzerte aufgehangen, da denke ich mir, Alter, das macht ihr doch gerade vornehmlich aus Angst vor einem Shitstorm. Das war vorher gar nicht auf eurer Agenda, warum jetzt?
Ich glaube nicht, das Punk harmloser geworden ist, aber ich finde es sinnvoll, Sachen ändern zu können, zu reflektieren. Ich glaube aber auch, dass sich alle tendenziell mal wieder ein bisschen lockerer machen müssen. Denn irgendwann kommt man an einen Punkt, dass man einfach keinen Bock mehr hat, sich schon wieder irgendetwas vorleben zu lassen. Die Freigeistigkeit muss schon bleiben.

K: Hier in Sachsen sieht man es ja auch nicht immer ganz so harmlos: Es gibt linke Bands, die vom Verfassungsschutz beäugt werden, obwohl die Texte sich von Rawside, Skeptikern & Co. nicht unterscheiden. Cops sind auf Demos gegen links ganz anders unterwegs als gegen Schwurbler und Querfaschos, die „Absaufen“ brüllen, Andersdenkende und -aussehende oder die Presse attackieren. In den Parlamenten sitzen nicht wenige rechtsextreme PolitkerInnen. Gleichzeitig sind es längst nicht mehr nur die Punkrocker, die gegen rechts engagiert sind, es ist auch ein bisschen Lifestyle. Machst du dir eher Sorgen oder ist da auch Zuversicht?
I: Wir haben hier gerade in Münster wieder auf dem Prinzipalmarkt gespielt, weil mal wieder der AfD-Neujahrsempfang im Rahthausfestsaal stattgefunden hat. Das ist aber eine der Städte, wo die Partei bundesweit ihr schlechtestes Wahlergebnis einfährt, also im Grunde ist es Wohlfühlantifaschismus, was wir da machen. Das ist nicht Sachsen, nicht Bitterfeld, das ist nicht Jamel. Gleichwohl muss man da trotzdem Kante zeigen. Aber uns ist aufgefallen, so großartig das ist, dass da innerhalb kürzester Zeit 5000 Leute mobilisiert worden. 2016 waren aber ungefähr doppelt so viele da. Das kann natürlich mit Corona, der Kurzfristigkeit usw. zusammenhängen. Aber man kann leider eine gewisse Normalisierung der AfD-Wahrnehmung feststellen, die Leute scheinen das nicht mehr ganz so schlimm zu finden. Und das ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn deren Taktik aufgeht und steter Dünnschiss den Stein höhlt. Damit kommen die Stück für Stück in die Mitte der Gesellschaft. Fuck it! Das ist genau der Raum, wo wir auftreten und ganz klar Kante zeigen müssen! Jedes Mal wieder. Der Song „Radikale Passivistenm“ auf unserem neuen Album nähert sich dem Thema so ein bisschen lustig, aber der Kern der Sache ist doch: Es darf keine Ausrede bei Antifaschismus geben!

K: Gab es je Gedanken, mit steigendem Erfolg diplomatischer zu agieren?
I: Nein, genau das Gegenteil ist wichtig! Das habe ich über all die Jahre gespürt und gelernt: mit der größeren Reichweite kannst du eben viel mehr Leute erreichen. Das ist der Punkt, an dem du aktiv bleiben MUSST! Wenn du jetzt diplomatischer, wäre das genau der falsche Ansatz!

K: Nochmal etwas ganz anderes: Ihr habt Euer hauseigenes Label, Solitary Man Records, das wurde 2006 zuerst in Japan gegründet. Dort sind seid Ihr regelmäßig live unterwegs und legt auch Platten anderer Bands auf. Ein reines Leidenschaftsprojekt?
I: Das ist uns auch wieder eher so ausversehen passiert. Wir sind in Japan Anfang der Nullerjahre mal ganz hoch in die Charts gegangen und haben dann gemerkt, wenn wir dort Bands in Interviews oder so gehyped haben, haben die in der Woche darauf maßgeblich mehr Alben verkauft. Daraufhin ist unsere Verlagschefin in Japan an uns herangetreten mit der Idee, ein interkontinentales Label aufzumachen, weil wir ja die ganzen Bands auch kennen. Mit der Idee: Wenn die in Japan nicht offiziell zu haben sind, bringen wir die eben da raus. Dann sind wir an die Dropkick Murphys herangetreten, die Toy Dolls, die Beatsteaks, Muff Potter, Dover usw. und haben die alle dort rausgebracht. Und das mit dem Backing von Nippon Television, das ist dort so etwas wie das ZDF, die zweitgrößte Fernsehstadion in Japan. Riesige Reichweite, unendlich viel Geld und die hofieren unter ihrem Dach ganz viele Indielabels. Das hat sich aber alles nach Fukushima sehr gewandelt. Da ist der Markt zusammengebrochen und die Leute haben mehr Heile Welt K-Pop gehört. Shows fangen erst jetzt so gerade wieder an, sich zu konsolidieren. Aber da wir diese Strukturen in Japan hatten, haben wir uns dann gesagt, lass uns das auch hier nach Deutschland importieren und hier auch unser eigenes Label haben. Denn DIY fühlt sich einfach am besten an.

K:Neben dem Label hast du ja auch noch eine Radioshow und hast 2021 mit Duchamp noch ein neues Hardcore Projekt gestartet. Dafür hast du wahrscheinlich gerade weniger Zeit, richtig?
I: Ja leider. Wir haben erst neulich noch eine Seven Inch aufgenommen, die wartet noch auf Veröffentlichung. Da ist auch ein tolles Black Train Jack Cover von Leapfrog drauf, wo Ernie Parada mitsingt! Aber ja, das steht ein bisschen hintenan momentan.
K: Nächstes Jahr werden die Donots 30. Nach dem Album- und Live Jahr jetzt, steht 2024 also wahrscheinlich auch keine Pause an?
I: Nein, im Gegenteil. Westphalen feiern ja auch gern! Rücktreten ist gerade eher nicht vorgehen.

K: Kannst du mir zum Schluss noch ein paar Bandempfehlungen mit auf den Weg geben, die man Deiner Meinung gerade hierzulande unbedingt hören muss?
I: Es gibt so sauviele gute neue Bands! Mein Lieblingsalbum des letzten Jahres war ganz klar „Nichts“ von Fjørt, großartige Band! Wir nehmen im Frühjahr Akne Kid Joe mit auf Tour, ganz tolle Leute, die auch mal was neues an den Punktisch mitbringen.
Scherben auf Kidnap, dem Pascow Label, sind auch super! Oh, und Mon Cherie, das ist eigentlich so eine Feierabendband wo mein Freund Peter mitspielt, mit dem ich Duchamp mache. Die klingen wie Hammerhead mit Frauengesang.
K: Oh, spätestens mit der letzten Beschreibung hast du meine Neugier geweckt, da werde ich mal reinhören!