Sammy und Ines von den Broilers

© Robert-Eikelpoth

Die Broilers im Interview mit Karsten Kriesel:
Unterhält man sich in Punk- und Oi-Kreisen über die Broilers, hört man oft sinngemäß: „Korrekte Leute, live ganz geil, aber musikalisch mittlerweile nicht mehr so meins.“ Tatsächlich hat die Band längst einstige Szenetrampelpfade Richtung Chartsautobahn verlassen, die Musik ist ohne Zweifel „glatter“, größer und breiter anschlussfähig geworden, ihre Sommertour führt sie erneut auf die großen Open Air Flächen des Landes. Doch in den Zwischenzeilen ihrer Texte, auf Konzerten und ganz besonders im Gespräch hört man schnell heraus, dass mindestens ein Fuß immer noch in der Szenetür bleibt, oder um das alte Sprichwort anzupassen, man vielleicht die Broilers aus dem Punk, den Punk aber nicht aus den Broilers bekommt.
Der Einladung, Ines und Sammy in Düsseldorf zu treffen bin ich trotz Bahnchaos gern gefolgt, unterhalten haben wir uns unter anderem über die Situation der Live-Branche, Entwicklungen in der Punk- und Oi-Szene, persönliche Lernprozesse, Frauen als Vorbilder, Mackertum und musikalische Weiterentwicklung.

Karsten: Bis vor 10, 15 Jahren gab es an Punk in den Charts im Wesentlichen die Ärzte und die Toten Hosen Hosen. Inzwischen tummeln sich dort dazu die Broilers, Sondaschule, Feine Sahne Fischfilet, Donots, Dritte Wahl, Pascow und andere, die sich jahrelang in den Clubs hochgespielt haben. Habt ihr eine Erklärung dafür?
Sammy: Die Leute, die Punk- und Rockmusik hören, sind ihren Bands sehr treu und unterstützen sie direkt, indem sie Platten kaufen. Das bildet sich in den Charts ab, obwohl die Jugend primär Hip Hop hört.
Und du hast nicht so viele Alternativen: Wenn du in Deutschland Rockmusik hören willst, landest du irgendwann bei Punk. Eine klassische deutsche Rockband, das ist ja noch nicht mal Fury In The Slaughterhouse, die singen Englisch. Vielleicht Udo Lindenberg und das wars dann schon fast. Ich habe von den Hosen gelernt, Ines von den Ärzten. Für uns ist das natürlich toll, dass die Fackel weitergetragen wird.

Karsten: Ihr arbeitet inzwischen notwendigerweise in einem hochprofessionellen Rahmen: Wie findet man sich da mit seinem eigentlich ursprünglichen Subkultur-Mindset wieder, wo ist die Gefahr, dass man sich „gewöhnt“?
Sammy: Da sind wir selbst die Kontrollinstanz. Wir wissen genau, was wir erreicht haben, und sind sehr dankbar dafür. Wir wissen genau, was auf unserem Weg lag und diese Demut ist wichtig. Und dann gehen wir sehr entspannt damit um.
Ines: Man gewöhnt sich natürlich an ein paar schöne Sachen: Irgendwo anzukommen und saubere Toiletten zu haben. Aber ich glaube, das hat nichts mit abgehoben zu tun.

Karsten: Mal angenommen, Sammy und Ines, der 1996 gerade die „Blume“ EP aufgenommen, würde sich ein Konzert der Broilers heute anschauen, was würden die sagen?
Sammy: Ich habe damals aus Spaß die Broilers in 25 Jahren gezeichnet. Da waren wir immer noch Skinheads, aber alte Skinheads und Andy hatte einen Vollbart und Brille. (lacht)
Karsten: (betrachte im Handyspiegel meinen Vollbart und Brille) Na toll…
(alle lachen)

Sammy: Damals waren wir junge Skinheads. Insgeheim hätten wir das vielleicht toll gefunden, nach außen aber bestimmt gesagt, das darf man nicht! Ausverkauf!
Ines: Ich hätte gedacht: Krass, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.
Sammy: Es war aber auch immer mein Anspruch mit dem, was wir für richtig halten, so erfolgreich wie möglich zu werden. Und wenn man das schafft, selbst verwaltet mit dem, was man liebt, dann finde ich das etwas Tolles!
Ines: Da haben wir großes Glück!

Karsten: Wie bereitet Ihr euch auf Konzerte und Touren vor?
Ines: Proben! Natürlich gibt es auch im Hintergrund ein bisschen was Langweiliges, was besprochen werden muss, aber für uns als Band ist die Hauptsache proben!
Sammy: Gerade ist eine sehr intensive Zeit, wir treffen uns viermal die Woche. Davor haben wir die Setlist festgelegt, da wollen wir diesmal mehr Lieder rotieren lassen. Wir besprechen, wie das Merchandise aussehen soll und lösen die Bestellungen aus. Auf der Bookingseite werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebucht, Transportmittel, der ganze Mist.

Karsten: Es ächzt seit Corona die gesamte Live-Branche. Bei einer Band wie Eurer gibt es sicher ein bisschen Polster. Woran merkt ihr es dennoch?
Sammy: Auf jeden Fall steigen die Gehälter sehr an. Dass die Mindestlöhne steigen, kann ja durchaus gut sein, aber es bringt uns dann in die Situation, dass auch wir umwälzen müssen. Alles ist so teuer geworden, nicht nur der Sprit, die Mieten für LKWs und Equipment. Und es sind ganz viele nicht mehr da. Viele sind in der Pandemie in feste Berufe gewechselt. Es gibt hier Fachkräftemangel.
Dann bemerken wir, dass die Leute zögerlicher geworden sind. Man weiß ja, dass das Sofa bequem ist.
Ines: Wenn alles teurer wird, auch die Tickets, müssen auch die Fans kucken, wie sie das Geld zusammenhalten.
Sammy: Das fällt Bands wie uns oder den Hosen dann schon schwer, wenn wir immer versuchen, den Fuß noch im Punk zu halten und die Preise so cool wie möglich zu gestalten.
Wir müssen aber alles einkalkulieren und entsprechend Preise erhöhen, sonst können wir irgendwann unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr bezahlen.

Karsten: Wie geht ihr selbst damit um, wenn ihr vor einem Konzert mal nicht so gut drauf seid?
Ines: Arschbacken zusammenkneifen und durch! Bei mir ist es so, ich kann vorher leiden und fast sterben aber auf der Bühne geht das schon und man beißt sich zwei Stunden durch. Für den Moment vergisst man auch viel, was vielleicht gerade noch kacke war.
Sammy: Wir sind auch Dienstleister und Profis. Die Leute bezahlen viel Geld für so ein Konzert, da muss man auch mal Befindlichkeiten hintenanstellen. Bruce Springsteen sagt vor jedem Konzert: Denk dran, für einen Menschen im Publikum ist das das erste Konzert und für einen das letzte.

Karsten: Was braucht ein Konzert, um ein gutes Broilers-Konzert zu sein?
Sammy: Wir wollen die Leute mit vielen Emotionen nach Hause schicken. Wir bauen unsere Konzerte so auf, dass alles dabei sein kann: Du kannst Energie rauslassen, wütend sein, glücklich, traurig. Das soll eine Achterbahn sein. Alle Flüssigkeiten: Tränen, Schweiß, Blut
Ines: Und das gilt auch für uns: Wenn ich Scheiße drauf bin, kann ich das an bestimmten Liedern auslassen.

Karsten: Bei Euch überlagert inzwischen ein bisschen die große Geste das Rotzige: Wie würdet Ihr selbst Eure musikalische Entwicklung beschreiben?
Sammy: Es spiegelt sich in allen Platten wider, was wir zu der Zeit gut fanden. „Fackeln im Sturm“ ist beeinflusst von Oi und Ska damals. Aber du hörst auch bei den alten Sachen auch immer schon einen Anteil Pop, es war schon recht melodisch. Zumindest so viel, wie die Stimme es zugelassen hat. Die „LoFi“ von 2004 war so ein Scheidepunkt. Weil ich einerseits Tiger Army für mich entdeckt habe, eine Amerikanische Psychobillyband mit sehr melodischem Gesang. Aber andererseits war ich immer noch im Korsett, diese Oi-Stimme haben zu müssen, so verstellt grölig. Das kann ich mir heute nicht mehr anhören. 2007 begann mit der „Vanitas“ der Befreiungsschlag, ich habe losgelassen und mehr meine Stimme gezeigt. Somit konnte ich dann auch andere Töne erreichen und habe darüber für mich nochmal Singen gelernt.
Allgemein gilt: Wenn ich Lieder schreibe, schreibe ich die so, wie ich mir wünschen würde, dass sie klingen. Es gab nie ein Role-Modell, Label oder jemanden, der uns gesagt hätte, ihr müsst so oder so klingen.

Karsten: Was braucht denn ein Song, um ein guter Broilers Song zu sein?
Sammy: Ich finde es gut, wenn es die Zeile gibt, die du dir tätowieren kannst oder aufs T-Shirt drucken. Und Refrains sind wichtig! Es gibt Bands, die schreiben Lieder mit tollen Strophen, toller Bridge und ich frage mich, „warum lasst ihr den Refrain weg?“
Das liegt daran, dass wir da auch ein bisschen Pop-Schweine sind.

Karsten: Textlich geht es oft metaphorisch zu bei euch, aber Ihr habt Eure politische Einstellung nie versteckt. Gab es je Gedanken, mit steigendem Erfolg diplomatischer zu agieren?
Ines: Nö!
Sammy: Nein, nein! Jeder muss das Recht haben, seine Meinung zu sagen. Jeder muss dann auch mit dem Feedback klarkommen. Wenn ich in der Wutbürger-Hölle Facebook lese, man dürfe ja nichts mehr sagen… Natürlich darfst du alles sagen, aber du kannst nicht erwarten, dass es dafür nur Applaus gibt. So ist das bei uns auch, unter jedem YouTube Video wird irgendeine Scheiße stehen. Das ist völlig in Ordnung.
Wir haben unsere Sachen aber nie mit dem Dampfhammer präsentiert. Da ziehe ich gern den Vergleich zu Veggie-Produkten: Wenn du wirklich verändern möchtest, dass die Leute weniger Fleisch essen, wird das nicht nur über den exquisiten Biosupermarkt funktionieren. Die Leute, die dort einkaufen, sind ohnehin schon „errettet“. Wenn du willst, dass Hans und Franz ihre Gewohnheiten ändern, musst du immer in den Mainstream. In der Musik bedeutet das für mich: Wenn ich möchte, dass die Leute darüber nachdenken, warum die AfD, Faschismus, Xenophobie usw. scheiße sind, dann musst du versuchen, die Menschen im Herzen zu berühren. Immer mit der Frage, was würdest du denn wollen, wenn du in der Situation wärst? Es wird nie funktionieren, wenn ich auf die Leute mit dem Hammerr haue und sie beschimpfe. Da verschränkt jeder die Arme.
Vielleicht ist dieser Ansatz etwas naiv, auf jeden Fall gibt es weniger Applaus in den eigenen Reihen dafür. Es ist völlig in Ordnung, wenn es da „extremere“ Bands gibt in der Szene, die im Bereich Empowerment funktionieren. Nach dem Motto „ich mach krasse Texte, damit meine Mädels und Jungs Stärke spüren“. Die müssen nicht unbedingt Hans und Franz erreichen. Wir wollen unsere Fans natürlich auch empowern, aber wir wollen auch die anderen zum Nachdenken anregen.

Karsten: Aber die klare Kante gegen rechts scheint über Eure letzten zwei, drei Alben doch nochmal deutlicher geworden zu sein…
Ines: Vielleicht ist das auch einfach situationsbedingt. Ich habe das Gefühl, man muss wohl auch wieder ein bisschen mehr Dinge ansprechen.
Sammy: Diese Lieder waren bei uns immer schon da. Vielleicht steckte das manchmal nur in ein, zwei Zeilen. Aber es gab immer wieder das klare mit dem Finger drauf zeigen, hier ist das Problem. „Tanzt du noch einmal mit mir“, der erfolgreichste Broilers Song ever auf „Santa Muerte“, ist eigentlich wegen Sarrazin geschrieben worden, weil der ab 2010 diese ganze Scheiße wieder so groß gemacht hat.
Bei uns selbst startete der Prozess 2002. Davor waren wir ganz klar eine Oi-Band mit dem naiven Glauben, rechts ist Scheiße und links ist Scheiße. Wir wollten am liebsten ohne Politik durchs Leben kommen, was nicht funktioniert.
Ines:
Ganz unpolitisch waren wir nie, wenn man uns auch damals vor die Wahl gestellt hätte, hätte jeder von uns sofort gewusst, wofür man Stellung bezieht. Aber es gab eben diese Naivität.
Sammy: Das resultierte darin, dass es in bestimmten Städten damals seitens der Linken und der Antifa ein bisschen Aufschrei bei unseren Konzerten gab. Sowas kommt von sowas. Da mussten wir 2002 aufs Maul kriegen von Faschos, um nochmal wachgerüttelt werden. Ab da war das Hufeisen nicht mehr denkbar und die Marschrichtung klar. Ein paar Lieder von damals haben sich damals richtig angefühlt, heute fühlen sie sich nicht mehr richtig an.

Karsten: Trotzdem finden sich in den Kommentarspalten immer noch ein paar „Fans“, die sich die „unpolitische Oi-Band“ zurückwünschen. Was würdet Ihr denen gern sagen?
Ines: Macht mal die Nachrichten an und überlegt es euch dann noch mal!
Sammy: Leben und lernen. Unpolitisch funktioniert für Kinder.
Ines: Die können und müssen sogar unpolitisch sein, damit sie schön groß werden.
Sammy: Es war leider in Teilen der Skinhead-Szene immer ein Bestandteil des Unpolitisch-Seins, dass du dir in die rechte Richtung nichts verbaust und auch Scheißmusik hören kannst, RAC und so etwas. Unpolitisch war da immer ein schäbiges Synonym für so etwas. Ich weiß nicht, wie das mittlerweile ist, weil ich nicht mehr so in der Szene bin, aber das ist etwas, das ich nicht vermisse. Mir ist klare Kante lieber.

Karsten: Wenn man von kleinen DIY-Projekten bis zum Stadion schaut, von wütend schrabbeligem Crust- bis zu avantgardistischem Post-Punk, von Kids zu Rentnern: Was ist denn überhaupt Punk?
Sammy: Was Punk auf jeden Fall nicht sein darf, es sollte nicht vergreisen! Da müssen wir uns alle mit drum kümmern, dass junge Menschen nachkommen, es wieder geil machen für die Kids. Manchmal beginnt es echt zu müffeln, wenn du nur noch silberne Haare siehst und diese Leute verhalten sich auch komisch jungen Menschen gegenüber. Das wäre schade drum, da Punk eine so tolle Subkultur ist. DIY ist so etwas wertvolles und die Hürde im Punk ist eigentlich so niedrig. Drei Akkorde, bisschen schrabbeln und es kann gerne auch schräg klingen.
Ines: Gerade in einem Alter, wenn man erst anfängt sich für Musik zu interessieren, ist Punk eigentlich das Beste, was dir passieren kann. Auch, wenn du noch nicht viel kannst, bist du schnell eingeladen und hast eigentlich auch fast immer eine gute politische Haltung mit dabei.
Sammy: Wir brauchen da keine Gralshüter. Ich freue mich generell über Jugend. Auch cool, wenn Kids zusammen rappen. Oder eben einfach nur Kinder und Jugendliche sind und ihr Ding machen. Ich fände es nur persönlich gut, wenn ein paar merken, es gibt nicht nur die Beats, zu denen du zu Hause rappst, du kannst dich auch mit Freunden im Proberaum treffen und Punk entdecken.

Karsten: Da ich beruflich auch viel in der Schwarzen Szene unterwegs bin, kann ich Euch im Vergleich immerhin trösten, dass es im Punk mit der gealterten Jugendkultur längst noch nicht so schlimm ist wie dort 😉 Aber kann oder will Punk heute noch wem auf die Füße treten?
Ines: In einem gewissen Alter will man wahrscheinlich immer gern anecken. Aber ob Punk das an sich noch provozieren kann, weiß ich nicht.
Sammy: Bei Jugendlichen finde ich das auch super, es ist ja eine Jugendkultur. Ich finde es nur „cringe“, wenn irgendwelche Leute ab 40, 50 mit Punkbackround rebellieren wollen. Dann geht das meistens über irgendwelche sexistische Scheiße oder leicht rechte Sachen, die sie posten. Das geht mir so auf den Sack, das finde ich albern und peinlich. Da sollte man im Alter eine Gelassenheit entwickeln.

Karsten: Die Szene nimmt ja im Vergleich zur Gesellschaft Feminismus, #metoo, Diversität, Awareness usw. sehr ernst, also eher Gleichheits-Bestrebungen als destruktive Provokation…
Ines: Das liegt wohl daran, dass viele Jugendliche dafür kämpfen, dass Generationen wie wir da aufgeklärt werden. Das ist deren Art von Rebellion.

Karsten: Habt Ihr da selbst „dazugelernt“ in den letzten Jahren?
Sammy: Ja. Das ist ein komplexes Thema und wir befinden uns da gerade in einem „schwerelosen Raum“. Weil wir alle versuchen den richtigen Umgang miteinander zu finden. Was ich total verstehe und richtig finde, dass man versucht, die Sprache inklusiver zu machen und überlegt, was der richtige Weg zum Gendern ist. Ich bin für mich noch nicht ganz bei der Pause in der Sprache, Mitarbeiter:innen, angekommen und versuche es eher über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber ich beobachte das und lerne.
Wo ich Fragezeichen habe, ist auf der einen Seite der Mackervorwurf, der immer wieder bei verschiedenen männlichen Künstlern kleben bleibt. Etwa Swiss, vielleicht sogar bei mir, weil ich so ein bestimmtes Auftreten habe. Da wird einem „untersagt“, Muskeln spielen zu lassen und auf der anderen Seite heißt es „jeder Körper ist schön“, man kann ihn gestalten, wie er oder sie will. Das torpediert es in meinen Augen doch.
Auch diese Diskussion um „lass dein T-Shirt an“ finde ich kompliziert.
Ines: Ich glaube generell, dass da viel Unsicherheit da ist, weil jeder versucht, es richtig zu machen. Wenn du sagst, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fühlt sich vielleicht wieder jemand nicht mitgenommen und dann sag ich einfach „liebes Team“. Aber natürlich, wenn man einmal anfängt, kann man alles falsch macht. Aber ich hoffe einfach, der gute Weg ist, es gut machen zu wollen, sich zuzuhören, zu beobachten, sich annähern.
Sammy: Ich bin sehr interessiert und bereit zu lernen. Im Moment habe ich noch einige Fragezeichen. Das wird aber in der Zeit passieren und auch in Gesprächen miteinander leichter.

Karsten: Fallen Dir, Ines, bestimmte Dinge anders oder schneller auf, weil du nicht männlich bist?
Ines: Selbst ich habe auf Vieles lange nicht so drauf geachtet, weil ich es nicht brauchte. Ich hatte das verdammte Glück so aufzuwachsen, wo es nie hieß das geht nicht, oder das kannst du nicht, weil du ein Mädchen bist. Da gibt es Tausende, auch Jüngere als ich, die das Glück nicht hatten. Die auch keine Vorbilder hatten, die vorleben, ich kann machen, was ich will, auch, wenn ich eine Frau bin. Das zu verstehen hat mir in den letzten Jahren nochmal extrem die Augen geöffnet. Eben, dass es super ist, das zu zeigen. Und wenn ich das aus meiner Position heraus kann, dann ist das super, dann nehme ich das gern an.
Ich habe ich neulich mit einem Freund und seiner Tochter getroffen und ihr erzählt, was ich so mache. Ein paar Stunden später kriege ich einen Anruf, dass sie sich jetzt auch einen Bass kaufen will.

Karsten: Du bist als Frau seit fast 30 Jahren in der Musikszene unterwegs. Gab es Momente, die schwierig waren oder über die du dich zumindest im Nachhinein geärgert hast? Dinge, wo du sagst, das ist deswegen passiert, weil ich eine Frau bin?
Ines: Ja, aber das war vereinzelt. Dass mir auf der Bühne automatisch das Mikro gezeigt wurde, ich aber ja Bass spiele, zum Beispiel.
Ich bin eher nicht blöd angemacht wurde, was aber glaube ich eben auch daran lag, dass ich im Pulk von Männern unterwegs war. Ich glaube, der sexistischste Spruch, den ich mal gedrückt bekommen habe war, „auf der Bühne sahst du aber geiler aus als in echt.“ Das würde man glaube ich einem Mann so nicht sagen.
Sammy: In unserem relativ geschlossenen Kosmos haben wir zum Glück kaum mit misogynen Menschen und toxischen Männern zu tun. Unsere Erziehung war so, dass Menschen gleich sind. In unserem Team waren von Anfang an Frauen, aber das haben wir nie irgendwie beleuchtet, das stand nie zur Diskussion. Das heißt aber nicht, dass das für alle so ist, wir hatten da einfach verdammtes Glück. Man muss anderen Menschen ein bisschen in den Hintern treten, da die Augen zu öffnen.

Karsten: Der Ruf nach diverserem Lineup auf Festivals ist immer deutlicher zu vernehmen. Die Chemnitzer Band Blond „zitiert“ in ihrem Song „Männer“ einen imaginären Booker mit „Aber hey, die Broilers haben ’ne Frau am Bass.“ Auch Bands wie Baboon Show scheinen manchmal wie der eine, nicht männliche Haken in der Festival-Liste. Ihr seid in Eurer Stellung also manchmal Alibi und Vorbild zugleich…
Ines: Ich sehe das gar nicht so negativ. Wenn ich es schaffe, Menschen zum Nachdenken zu bringen, bin ich gern auch das Alibi. Damit bewirke ich mehr Positives, als dass mich das irgendwie ärgert. Aber klar, wenn es sich anfühlt, Vorführhäschen zu sein, hätte ich auch keinen Bock. Das haben weder wir noch Baboon Show oder vergleichbare Bands nötig.
Ich glaube, das Problem muss man viel früher angehen. Mädchen sollten viel eher das Gefühl mitbekommen, dass es eine gute Idee ist, eine Band zu gründen und nicht klischeehaft reiten zu gehen. Da braucht es Rollenbilder.

BROILERS „Niemand wird zurückgelassen“, Sommertour 2023

08.06. Pfungstadt – Hessentag
09.06. München – Olympiahalle
22.06. Leipzig – Festwiese
15.07. Bonn – Kunst!Rasen
04.08. Ludwigsburg – KSK Music Open
19.08. Erfurt – Domplatz
01.09. Hannover – Expo Plaza

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