Verena von C4Service im Interview

Es geht in die zweite Runde bei Grrrlz* to the Front, der Weiterführung der ehemaligen Vinylkeks-Reihe „Frauen im Musikbusiness“ im neuen Gewand! Heute lest ihr hier ein Interview mit Verena von der Hardcore Punk Band C4Service. Es geht um Wunsch-Lineups, Gleichberechtigung und Tim Hackemacks Fotoband „Hit the Stage“. Hier könnt ihr übrigens auch noch einmal das Interview mit Mia von Oi!ronie aus der letzten Woche nachlesen. Viel Spaß und Stay Tuned!

Hallo Verena, ich freue mich dich an dieser Stelle begrüßen zu dürfen. Kannst du ein bisschen zur Bandgeschichte von C4SERVICE erzählen? Und was war speziell deine Intention mit der Musik anzufangen und warst du vorher in anderen Bands aktiv?

Hi Chrissi, es freut mich, dass ich bei eurer Interview-Reihe dabei sein darf.

Als ich 2013 in die Band kam, hatten die Jungs sich schon gefunden. Drummer AC Cobra hatte 2012 zwei alte Freunde zusammengetrommelt, die beiden Gitarristen Nico und Holger. Ihre alten Bands waren alle Geschichte und sie wollten was Neues starten. Zusammen mit dem ersten Bassisten Marc Effects wurden die ersten Songs geschrieben und sie haben einige Sänger ausprobiert, das passte aber wohl nicht. Im Januar 2013 habe ich Nico und Holger auf einem Konzert in der Baracke in Münster getroffen. Nico kannte ich von früher und es stellte sich heraus, dass wir beide in Bands spielten, die gerade nicht so richtig liefen. Meine Band No Konsent aus Osnabrück lag gerade auf Eis, weil unser Gitarrist in Australien unterwegs war und Nicos Band fehlte der Gesang. Hm, dachte ich, ich wollte schon immer mal in ner Band in Münster spielen und so nahm ich die Einladung zur Probe an. Das passte sofort und seitdem sind wir eine Band. Es gab noch ein paar Wechsel am Bass, aber seither spielen wir so oft live, wie es geht.

Eigentlich habe ich immer schon gerne Musik gemacht, als Kind war ich großer Elvis-Fan und habe mich auch im Kinder- und Jugendchor versucht. Aber mein Talent wurde wohl immer verkannt ;-)…. Während alle anderen Soloparts bekamen, durfte ich nur im Hintergrund mitsingen… Naja, ich habe es dann irgendwann aufgegeben und bin zum Punk gekommen. Damals spielte bei uns auf dem Dorf fast jeder, der was auf sich hielt, in einer Band. Es gab jedes Wochenende Kotten-Parties, auf denen kleine unbekannte Punkbands spielten. Jeder bekam seine Chance und wurde abgefeiert. Das hat mir super gefallen. Ich hätte auch gerne in einer Band gespielt, aber tatsächlich war ich immer etwas zu schüchtern mich auf die Bühne zu stellen. Ich stand nicht gerne im Mittelpunkt.

Die Chance doch noch in einer Band zu spielen ergab sich spontan, als mein Kumpel und ich von ein paar Freunden gefragt wurden in ihrer Band zu singen. Mein Kumpel als Hauptsänger und ich als „Female Vocals“. Was auch immer das heißen sollte, aber warum nicht, dachte ich. Mein Kumpel hatte zwar eine echt geile Stimme, aber leider kein Taktgefühl, daher hat er aufgehört und ich habe dann auch seinen Part übernommen. Wir haben damals erstmal nur Coversongs von Misfits, Ramones, Posion Idea usw. gespielt. Schnell fand ich heraus, dass die Stimmlage von Glenn Danzig für mich perfekt war. Mit unserer damaligen Band spielten wir einen Auftritt. Danach wurde unser Schlagzeuger für länger krank und wir mussten aufhören.

Ein Jahr später fanden sich ein paar Leute der alten Band in Osnabrück wieder zusammen. Was mit dem Covern von Exploited-Songs begann, entwickelte sich zur Band No Konsent, mit der wir auch bald eigene Songs spielten.

Da hast du ja schon einiges erlebt! Dieses Jahr war auf den Bühnen und Festivalwiesen leider absolut nichts groß los. Habt ihr währenddessen Pläne geschmiedet, neue Songs aufgenommen oder erwartet uns 2021 noch irgendetwas völlig anderes von euch?

Wir hatten nach dem ersten Lockdown große Pläne geschmiedet. Nach Monaten des Nicht-Probens hatten wir eine wirklich produktive Phase, haben für unsere Verhältnisse viele neue Songs gemacht. Wäre es so weiter gegangen, hätten wir wahrscheinlich jetzt Anfang 21 unsere schon lang geplante LP aufgenommen. Immerhin haben wir 2020 ein Konzert gespielt, mit AKNE KID JOE. Der zweite Lockdown hat dann natürlich alles über den Haufen geworfen. Jan und Holger schreiben fleißig Songs im Heimstudio und ich denke mir dazu schon Gesangslinien und Texte aus. Und wir versuchen jetzt auch mal mit Online-Sessions was hinzukriegen. Aber irgendwie ist das nicht dasselbe. Mir fehlt da das Wummern der Bässe und Gitarren und der Dall des Schlagzeugs in der Magengegend. Wir hoffen, dass wir bald wieder live zusammen proben können.

Wahrscheinlich werden wir das Album irgendwann zwischen dem vierten und fünften Lockdown aufnehmen. 😉 Völlig anders wird es wohl nicht, nur besser natürlich.

Copyright: Jubelschuppen

Kürzlich erschien ja der Fotoband “Hit the Stage” von Tim Hackemack – unter den porträtierten – fast ausschließlich – Männerbands bist du als eine von fünf Frauen (bei 37 Bands). Was denkst du darüber? Warum ist das so und denkst du dieses Zeitzeugnis bildet das reale Geschlechterverhältnis im Punk ab?

Naja, genau genommen sind es sogar nur vier Frauen. Nici von den Mimmis und Slime ist doppelt gezählt 😉
Ich glaube, das Buch bildet nicht das reale Geschlechterverhältnis im Punk ab, sondern den subjektiven Hackemackgeschmack. Das ist insofern ja auch in Ordnung, wenn er die Bands featuret, die er selbst abfeiert und kein amtlich objektives Übersichtswerk erstellt. Würde er sich mehr in kleinen DIY-Venues rumtreiben, beispielsweise der Baracke in Münster oder der SubstAnZ in Osnabrück, würde er auch mehr Frauen vor die Linse bekommen. „Die Punkszene“ ist sehr aufgesplittet und ich glaube, im DIY-Bereich sind mehr Frauen sichtbar unterwegs, als im „Tour-Zirkus“ der etwas größeren Bands, die Tim überwiegend im Fokus hat.

Warum ist das so? Keine Ahnung! Meine Erfahrung ist leider so, dass viele Mädels, auch aus meinem Freundeskreis, einfach kein Interesse an den Musikrichtungen Punk und Hardcore haben. Viele mögen die Musik einfach nicht und das ist ja auch okay so. Dafür gibt es wiederum mehr Frauen in anderen Musikrichtungen.

Hast du persönliche Vorbilder in Sachen (Frauen)-(Hardcore)-Punk? Wen und warum?

Wer mich damals in meinen Punk-Anfängen sehr geprägt hat, war Pauline Murray von der Band Penetration. Der Song „Don’t Dictate“, den ich damals das erste Mal von einer schrabbeligen Kassettenaufnahme hörte, hat mich total fasziniert und entsprach meinem Lebensgefühl.

Eine andere tolle Band War on Women repräsentiert für mich eigentlich alles, was zum Thema Frauen-Hardcore-Punk zu sagen ist. Sie spricht in ihren Songs eklatante Missstände in der Gesellschaft an und setzt sich für Frauenrechte ein. Ein großes Vorbild für mich!

Copyright: Jubelschuppen

Und was denkst du sind die Gründe dafür, dass auf den Bühnen immer noch mehr Männer als Frauen zu sehen sind?

Wie schon erwähnt, glaube ich, dass es allgemein nicht unbedingt so ist, dass es deutlich weniger Frauen als Männer auf den Bühnen der Musikwelt gibt. Auffällig ist schon, dass Frauen in der Musikrichtung Hardcore-Punk deutlich unterbesetzt sind. Das liegt aber meiner Meinung nach daran, dass es einfach weniger Frauen gibt, die sich für Hardcore-Punk interessieren. Das sieht man auch am Publikum. Hier gibt es ebenfalls deutlich weniger Frauen als Männer. Da ist es doch logisch, dass es weniger Frauen auf der Bühne gibt.

Doch ich beobachte im Moment tatsächlich, dass sich dies langsam ändert. Es werden mehr Frauen vor den Bühnen und daher bin ich großer Hoffnung, dass einige von ihnen auch bald den Weg auf die Bühne finden werden.

Hast du als Frau im Musikbereich schonmal negative Erfahrungen mit Sexismus oder Benachteiligung gemacht?

Eigentlich nicht, jedenfalls nicht bewusst. Es kommt schon mal vor, dass es Sprüche gibt, wie „Krasse Stimme, wie kommt denn aus so einer zarten Person so eine Stimme raus?“ oder „Ich war ganz verwundert, als ich dich auf der Bühne gesehen habe, ich dachte erst, da würde ein Mann singen“. Die Sprüche höre ich aber sowohl von Männern, als auch von Frauen und empfinde sie persönlich nicht als sexistisch. Klar könnte man es irgendwie sexistisch auslegen zu denken, Frauen müssten hohe Stimmen haben und Männer tiefe, aber ich bin bei diesem Thema auch nicht so sensibel.

In der Punk- und Hardcore-Szene habe ich tatsächlich nie negative Erfahrungen mit Sexismus oder Benachteiligung gemacht. Das kann aber auch daran liegen, dass wir uns doch eher in der DIY-Szene rumtreiben und weniger auf den großen Bühnen unterwegs sind. Unsere Erfahrungen bestätigen uns darin. In den kleinen AZs, Kneipen oder DIY-Läden werden wir auch als kleine Band gleichwertig behandelt. Es ist selbstverständlich, dass man Spritgeld und Verpflegung bekommt und die Leute, die uns eingeladen haben, freuen sich darauf, dass wir da spielen, während man in größeren Clubs als Vorband meist völlig missachtet wird. Es ist sogar schon vorgekommen, dass wir tatsächlich nicht in den Backstage-Bereich durften, das essen durften, was die Hauptband übrig gelassen hatte und ohne Spritgeld wieder nach Hause fahren mussten, weil es doch schon eine Ehre ist mit so einer bekannten Band zu spielen. Sowas finde ich echt schade und diskriminierend.

Negative Erfahrungen mit Sexismus habe ich aber bereits in der Arbeitswelt erlebt. Ich war in einem Sonderforschungsbereich in der Gleichstellungskommission tätig und unsere Arbeit wurde vom Vorstand, der natürlich nur aus Männern bestand, immer belächelt und für unwichtig abgetan. Wir haben da zum Beispiel einen Workshop nur für Frauen zum Thema Präsentationen organisiert. Hier haben sich die Männer aus dem Betrieb nun doch tatsächlich benachteiligt gefühlt und es wurde durch den Vorstand durchgesetzt, dass auch die Männer an diesem Workshop teilnehmen durften. Das war echt unglaublich und im Endeffekt natürlich völlig kontraproduktiv.

C4Service @Archiv Potsdam / Copyright: Buschi

Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?

Auf jeden Fall. Ich meine, die Gleichheit aller Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, Nationalität sowie mit oder ohne Handicap sollte selbstverständlich sein. Es ist erschreckend, dass unsere Gesellschaft immer noch so patriarchisch geprägt ist und stereotype Geschlechterrollen zum Alltag gehören.

Einmal selbst entscheiden: Was wäre für dich das perfekte Festival-Lineup?

Hmm, schwierig… gerade hätte ich Bock auf: Bicahunas, War on Women, Fucking Angry, Killbite, Sonic Boom Six und natürlich Penetration.

Und C4Service würden sich auch nicht zieren, da mitzuspielen. 😀

Gibt es besondere Projekte, Bands, Labels, Kollektive oder sonst irgendwas, was du unseren Leser*innen empfehlen kannst? Willst du noch etwas loswerden, was bisher nicht zur Sprache kam?

Wir unterstützen schon lange Second Bandshirt, die abgelegte Bandshirts verkaufen und damit viele gute Initiativen und Projekte supporten. Auch das Archiv der Jugendkulturen e. V. (jugendkulturen.de) leistet wertvolle Arbeit, die ich wichtig und unterstützenswert finde.

Außerdem sind wir natürlich besorgt, dass gerade die Infrastruktur der Subkultur den Bach runter geht. Welche DIY-Plätze wird es nach der Pandemie noch geben? Welche kleineren „kommerziellen“ Clubs, BookerInnen, TechnikerInnen, die ihre Leidenschaft zum Lebenserwerb gemacht hatten, werden durchhalten? Insofern unterstützen wir persönlich viele uns wichtige Läden und Menschen, so gut wir können. Stellvertretend sei wohnzimmerromantik.dubiose-quelle.de genannt. Haltet die Ohren steif!

Vielen Dank für das Interview, Verena!

Copyright Titelbild: Tim Hackemack