Sofy von FOTOKILLER im Interview

Heute im Interview lest ihr von Sofy, die in den Bands Fotokiller, Fatigue und The Dead Pony Kids Club aktiv ist. Entdeckt habe ich Sofy über das kürzlich erschienene Tape Lenses von Fotokiller, das für mich derzeit zu den absolut besten Post-Punk-Tapes zählt – und ich freue mich schon wahnsinnig auf das erste Live-Konzert! Viel Spaß beim Lesen!

Hallo Sofy, schön, dass du Zeit für das Interview hast. Ihr macht mit FOTOKILLER ziemlich geilen Post-Punk. Seit wann gibt es euch und wie seid ihr zusammen gekommen? Hast du vorher schon woanders Musik gemacht?

Danke für die Einladung, ich freue mich bei eurer Interview-Reihe dabei zu sein!

FOTOKILLER haben sich im November 2018 gegründet – zumindest in vollständiger Konstellation. Angefangen hat das Ganze mit Proberaumhängungen von Damon (Bass) und mir, bei denen wir Basslines und Gitarrenriffs geschrieben haben und diese dann mit einer Drumcomputer-App unterlegt haben. Irgendwie war das mit dem Drumcomputer aber nicht so unser Ding und eh nur eine Übergangslösung. Ich bin froh, dass Matze Lust hatte die Drums zu übernehmen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon eine Riot-Grrrl-Band – Fatigue. Die gab’s da aber gerade mal ein paar Monate. Abgesehen von einer Schülerband mit 15/16 Jahren und dem Singen zu Hause oder im Auto, hatte ich noch keine weiteren Erfahrungen.

Copyright: Ruby Gold

Und wie würdest du deine musikalische Sozialisation beschreiben?

Ich würde sagen, ich habe Ende der 90er, Anfang 2000er all das gehört, was viele gehört haben. Tic Tac Toe, Spice Girls, viel MTV geschaut. Fand es damals schon mega cool, wenn ich da Frauen gesehen habe und wollte auch gern singen und mich ausdrücken. Härtere Musik kam dann in meinen Teenager-Jahren dazu, erste Berührungspunkte mit der Punk-Szene hatte ich in dem linken Jugendclub unseres Dorfes. Ich war sehr großer Nirvana-Fan. Kurt Cobain, immernoch großes Vorbild, fand ich natürlich mega! Mit 14 habe ich dann Gitarrenunterricht für ca. 2 Jahre genommen. So richtig klassische Konzertgitarre, sogar mit einer Ergoplay Gitarrenstütze, was ich natürlich damals total Panne fand. Viel cooler fand ich es, dass die Musiklehrerin meiner Schule mich eine Schülerband gründen lies. Haben da quasi „nur“ gecovert, aber immerhin konnte ich mit Gitarre und Gesang meine ersten Konzerterfahrungen machen. Es gab einige an der Schule, die uns peinlich fanden, einige cool. Im Endeffekt hat es mir aber einfach nur Spaß gemacht und die negativen Stimmen von damals sind heute längst verblasst. Als ich mit 16 auszog und die Schule beendete verlor ich plötzlich dieses Selbstvertrauen. Ich war dann nur noch stille Konsumentin.

Ich wollte in meinen 20ern super gern Musik machen. War immer kurz davor mich bei Websiten anzumelden, auf denen man Musiker*innen finden kann, um eine Band zu gründen, aber hab mich dann einfach nie getraut. Ich dachte immer ich bin zu schlecht dafür, zu leise. Erst Ende 20 habe ich durch viele Zufälle und den Zuspruch einer mir sehr nahestehenden Person, welche auch Musik macht, dann Fatigue mit 4 anderen Frauen (heute sind wir nur noch zu viert) gegründet und das erste Mal wieder wirklich Selbstsicherheit in der Musik gefunden, vor allem durch das Empowerment, welches mir durch diese Frauen gegeben wurde. Auch wenn wir totale Anfängerinnen waren, haben wir uns gegenseitig immer wieder Motivation gegeben weiter zu machen. Dafür bin ich sehr dankbar! Aus dieser Sicherheit ist dann auch Fotokiller entstanden und Anfang 2020 tatsächlich auch noch The Dead Pony Kids Club, meine dritte Band.

Fotokiller

Das ist ja einiges! Hast du Vorbilder, an denen du dich orientierst oder die dich inspiriert haben?

Wie oben schon erwähnt war Kurt Cobain schon immer ein großes Vorbild für mich. In meinen 20ern habe ich mich aber nochmal mehr mit Punk-Musik auseinandergesetzt und zähle seitdem auch Kim Gordon dazu. Auch wenn sie es wahrscheinlich gar nicht cool finden würde, dass ich das sage. Aber für mich bringt sie einfach alles zusammen in einer Person. Punk, Feminismus, Kunst, Menschlichkeit, Anti-Heroism, falls es dieses Wort überhaupt gibt. Im Endeffekt bin ich einfach nur begeistert von Menschen, die anfangen. Ohne einen Plan. Ausprobieren, Fehler zulassen, nicht beim ersten Take oder Konzert perfekt on Point sind. Ich meine, dafür steht doch Punk?! Zulassen, dass man nicht nach Noten spielen kann, es dennoch irgendwie schafft Emotionen zu transportieren. Einfach jede*r ein Instrument in die Hand nehmen kann und auch wenn diese Person dieses Instrument nicht perfekt technisch beherrscht, es aber auf irgendeine spezielle Art und Weise spielt, so dass sich Menschen mitgenommen fühlen, ist es doch wichtig, dass genau das gehört und gespielt wird. 

Da sprichst du mir auf jeden Fall aus der Seele! Schreibst du die Texte für eure Musik und um was geht es thematisch? Was ist dir und euch wichtig?

Bisher habe ich überwiegend die Texte von Fotokiller geschrieben. Es gibt Parts bei denen aber auch Damon (Bass) mir geholfen hat, die richtigen Worte zu finden. Thematisch dreht es sich um sehr destruktive Themen. Zumindest bisher. Einige Texte wurden von mir in emotional schwierigen Phasen geschrieben. Falscher Job, depressive Tiefs, bzw. Tiefs aus denen ich versucht habe mich durch genau diese Texte zu befreien. Aber es geht auch um soziale Ängste, wie vor Menschen sprechen, sich ausdrücken, aber das Gefühl zu haben nie wirklich eine Stimme zu haben. Aufgeben, Kampf mit der Vergangenheit, Weiterkommen. Tatsächlich aber auch um politische Themen, wie zum Beispiel den Klimawandel.

Fatigue. Copyright: Ruby Gold

Was denkst du sind die Gründe dafür, dass auf den (Punk)-Bühnen immer noch mehr Männer als Frauen* zu sehen sind?

Vieles davon hat meiner Meinung nach mit der Sozialisation von Frauen* zu tun. Das Korsett, welches dir oftmals schon in jungen Jahren von der Gesellschaft angelegt wird, trägst du natürlich auch erstmal eine Weile mit dir herum. Irgendwann triffst du dann vielleicht auf Menschen, die dir eine andere Perspektive aufzeigen oder du findest es mit viel Glück und Zeit selbst heraus, dass du dich nicht in den vorgegebenen Mustern bewegen musst. Frauen* wird oft beigebracht sich eher zurückzuhalten und still zu sein. Auch ich bin ja immer noch auf der Suche nach meiner Stimme und habe erst verhältnismäßig spät wieder angefangen mich selbstbewusst in der Musik auszudrücken. Ich habe das Gefühl Frauen* denken mehr darüber nach ob sie etwas falsch machen könnten. Männer tun es einfach und es ist quasi fast egal ob sie dabei scheitern oder es ihnen gelingt. Sicher gibt es da auch Ausnahmen.

Eine andere Sache ist die Vernetzung und der gegenseitige Support. Gerade jetzt hat das Thema Vernetzung unter Frauen* super viel Aufmerksamkeit. Aber das war ja nicht schon immer so. Meinen Beobachtungen nach waren die Männer um mich herum immer besser vernetzt und haben sich zu Teams zusammen geschlossen. Ich bin froh, dass sich Frauen* heute immer mehr gegenseitig empowern anstatt sich als Konkurrenz zu sehen.

Nicht zuletzt sitzen wahrscheinlich noch immer die falschen Leute an den Hebeln, um mehr Diversität und die Sichtbarkeit von Frauen* zu realisieren.

Was auf jeden Fall nicht als Grund angeführt werden kann, ist, dass es zu wenig Frauen* gibt, die Musik machen. Es gibt mittlerweile so viele tolle Bands mit Frauen*anteil oder die komplett nur aus Frauen* bestehen, welche richtig gute Musik machen, auf dem Weg dahin sind oder einfach nur Bock haben und absolut unterstützenswert sind. 

Fatigue. Copyright: Ruby Gold

Da gebe ich dir sofort Recht! Hast du als Musiker*in schonmal negative Erfahrungen mit Sexismus oder Benachteiligung gemacht oder hat dir mal jemand versucht zu erklären, wie du ins Mikro singen sollst? 

Zum Glück habe ich bisher keinerlei solche Erfahrungen machen müssen, zumindest was den Bandkontext betrifft. 

Bezeichnest du dich als Feminist*in und wenn ja, was bedeutet das für dich?

Ich würde mich als Feministin bezeichnen, ja. Wer mich kennt weiß, dass ich mir nicht gern Labels verpasse, aber meine Einstellung und Meinung ist sehr feministisch geprägt, auch wenn ich natürlich immer wieder neue Dinge lerne, versuche meinen Horizont zu erweitern und ich an mir arbeite gewisse Zwänge und Erlerntes abzulegen. 

Wir haben immer noch Corona – was hast du mit Fotokiller geplant, wenn es irgendwann wieder richtig losgehen sollte?

Mit Fotokiller, wie auch meinen anderen beiden Bands plane ich natürlich wieder oder überhaupt erstmal live spielen zu können. Denn Fotokiller, wie auch meine neue Band The Dead Pony Kids Club hatte bisher noch garnicht die Gelegenheit für ein Live-Konzert. Wir alle können es aber kaum erwarten!

Ich freue mich auch schon wahnsinnig euch live zu sehen und da ich das Glück hatte eines der letzten zu ergattern: Wird es Nachproduktionen von eurem Tape geben? Wie ist die erste Runde so angekommen?

Unser Tape ist wirklich sehr gut angekommen. Wir haben viel positive Resonanz bekommen, die Mut macht weiter Songs zu schreiben und tatsächlich sind auch fast alle Tapes weg. Wir planen schon eine weitere Auflage mit unserem Label Colossus Tapes.

Gibt es besondere Projekte, Bands, Labels, Kollektive oder sonst irgendwas, was du unseren Leser*innen empfehlen kannst? Willst du noch etwas loswerden, was bisher nicht zur Sprache kam?

In Berlin gibt es seit über einem Jahr das GRRRL NOISY Kollektiv. Vor Corona gab es offene Jamsessions für Frauen* zum Connecten, sich ausprobieren und Support bei einer Bandgründung. Meine Bands haben sich unabhängig von diesem Kollektiv gefunden, aber ich weiß, dass es vielen Frauen* in Berlin hilft um den Schritt in die Musik und Bandgründung zu machen. Meine Band Fatigue wurde auch schon oft von diesem Kollektiv supportet. Viele tolle Frauen* engagieren sich bei diesem unterstützenswerten Projekt! Checkt das mal aus! 

Vielen Dank für das tolle Interview, Sofy und hoffentlich sehen wir uns bald bei einem Konzert!