Liz vom RAMPAGE ZINE im Interview

Bevor ich mich mit der Interview-Reihe nach fast anderthalb Jahren wöchentlicher Veröffentlichung in eine kurze Sommerpause verabschiede, gibt es heute hier noch ein besonders tolles Interview mit Liz, die Macherin des Rampage Zines ist. Die neueste Ausgabe ist so gut wie in Druck und kann bereits vorbestellt werden – solltet ihr euch also nicht entgehen lassen! Viel Spaß beim Lesen und bis irgendwann im August 😉

Hallo Liz, super, dass auch du hier mitmachst! Du machst das RAMPAGE ZINE, mit sehr viel Hingabe und Liebe zum Detail. Seit wann machst du das und wie kam es überhaupt dazu? 

Hey Chrissi, vielen Dank, ich hab mich sehr über deine Anfrage gefreut!

Das Rampage Zine ist ein Herzensprojekt von mir, mit dem ich 2018 begonnen habe. Damals sah ich zufällig eine Doku über die 90s Riot Grrrls und deren Zines. Die Idee, feministischen Aktivismus mit den eigenen Hobbies zu verbinden und gleichzeitig etwas Kreatives zu machen, hat mich direkt begeistert. Ich schreibe und bastele eigentlich schon mein ganzes Leben lang, nur behielt ich die Ergebnisse bis dahin meist für mich. Ganz lange hatte ich nach einem Weg gesucht, meine ganzen Leidenschaften und Interessen irgendwie bündeln zu können, etwas Produktives dabei entstehen zu lassen und gleichzeitig auch ein kreatives Ventil zu haben, um Belastendes zu verarbeiten. Ein Zine erwies sich plötzlich als das perfekte Medium dafür! Seine unkonventionelle Form und der damit verbundene DIY-Gedanke überzeugten mich recht schnell davon, einfach mal zu machen und meine Texte mit anderen zu teilen. Es gab keine Vorgaben oder Regeln, ich konnte über das schreiben, was mich interessierte oder beschäftigte und mich auf dem Papier austoben, sodass ich es am Ende als schön empfand. Die Angst vorm Scheitern, die einen oft davon abhält, Neues anzufangen, hat beim Zine irgendwie nicht so sehr gegriffen. Weil ich dachte: Scheiß drauf! Im schlimmsten Falle interessiert es eh niemanden, was du hier machst und im besten Fall gibt es mindestens eine Person, die sich darüber freut. Außerdem sollte mein Zine auch eine Plattform für andere Personen werden und den Perspektiven Raum geben, die sonst nicht so oft gehört werden. Am Ende hat die Passion über die Unsicherheit gesiegt. Natürlich war es anfangs trotzdem eine kleine Überwindung, das erste Rampage zu veröffentlichen. Ich fing einfach klein an: zuerst bekamen es ein paar gute Freund*innen, dann ließ ich es anonym irgendwo in der Stadt liegen, irgendwann bekamen auch fremde Leute davon mit und nach einem Jahr traute ich mich schließlich, einen Instagram-Account fürs Rampage Zine einzurichten. Seitdem hat sich alles so cool entwickelt, damit hätte ich niemals gerechnet.

Wurdest du dazu durch andere Zines inspiriert oder fehlen dir bestimmte Inhalte in anderen Zines, die du dann selbst einbaust?

Im Prinzip wurde ich zuallererst durch die Zines der Riot Grrrls inspiriert, die ich aber nur online und im Fernsehen gesehen hatte. Weil ich so fasziniert von diesem für mich neuen Medium war, widmete ich mich in meiner Bachelorarbeit dem Thema Zines von und für FLINTA* in der Punk- und Hardcoreszene. Die Forschung dazu war total spannend und eröffnete mir natürlich schon einige Einblicke in die Zine-Szene, bevor ich überhaupt selbst aktiver Teil dieser war. Während der Recherche entdeckte ich großartige feministische Zines, die mein Projekt sicherlich auch mit beeinflusst haben. Ich glaube, man kann nicht wirklich sagen, dass in anderen Zines etwas „fehlt“, denn jede*r bearbeitet eben das, was dieser Person wichtig ist und was diese fasziniert. Zines sind unglaublich individuell. Es liegt dann in der Natur der Sache, dass nicht jedes Zine von allen als ansprechend empfunden wird.

Da hast du Recht! Hast du ein Lieblings-Zine? Oder kannst du noch andere empfehlen?

Oh! Das eine Lieblings-Zine habe ich nicht, vielmehr ist es oft die Gestaltung (ob inhaltlich oder äußerlich) verschiedener Zines, die mir gefällt. Dazu gehören z.B. das Mantis Magazine, Klub Krach, Untypisches Wildes Verhalten, Okapi Riot, Brot, La Haine & Rubberxhead. Auch die Arbeit der Zinemacher*innen @de.construct, @zine.me.up, @zinista.zinista, @collective_theo, @femmefilthpress und @diycraftofficial verfolge ich super gern.

Wichtig für die Zine-Community sind natürlich auch Distros oder Kollektive, die als Plattformen für Zines fungieren, wie die @munichzinelibrary oder das @hungry_eyes_zinefest. Generell könnte man sagen, dass ich es immer schätze, wenn Leute sich damit befassen, wofür sie selbst brennen und das Ganze so umsetzen, dass es ihren Bedürfnissen gerecht wird. Dabei ist es dann egal, ob sich das Zine um Anarchie, Hexenkräuter oder malaysischen Metal dreht. Ich finde es spannend, wenn man auch ein bisschen was von der Persönlichkeit hinter den oft anonym bleibenden Zinemacher*innen entdecken kann. Am besten schaut man sich einfach ein bisschen in den bekannten sozialen Medien um – ich bin fast sicher: zu jedem noch so nerdigen Interesse lässt sich ein passendes Zine finden.

Machst du Reviews zu Büchern, Musik oder Filmen oder ganz was anderem? Was ist deine letzte Empfehlung an die Leser*innen?

Absolut, Reviews zu Musik, Büchern, Filmen und Serien sind jedes Mal ein wichtiger Teil des Rampage Zine. Meist wird dabei proaktiv Output besprochen, der mich bzw. die Schreibenden selbst überzeugt hat und den man dann weiterempfehlen und supporten möchte. Ab und zu bekomme ich auch Musik und Bücher von Bands oder Autor*innen zur Besprechung zugeschickt. In der kommenden Ausgabe werden z.B. neue Tapes von der Leipziger Band Baumarkt und Fotokiller aus Berlin besprochen (& empfohlen). Auch Interviews führe ich gern mit Bands, Personen oder Kollektiven, die coolen Projekten nachgehen und die auf irgendeine Weise (sub)kulturell unterwegs sind. Letztes Mal z.B. mit Akne Kid Joe und der Angeschimmelt Youth Crew, einem Konzertkollektiv aus Darmstadt. Das letzte Buch, das ich gelesen habe und wirklich gut fand, ist „Dicht“ von der österreichischen Autorin Stefanie Sargnagel. Urkomische, selbstironische und doch herzerwärmende Geschichte über ein paar liebenswerte Anti-Helden der Wiener Gesellschaft.

Was würdest du sagen macht dein Zine besonders? Hast du persönlich eine Lieblingskategorie, etwas, auf das du dich jedes Mal ganz besonders freust?

Es ist gar nicht so leicht, das für sein eigenes Zine zu beantworten. Von anderen wurde mir jedenfalls rückgemeldet, dass die Mischung der Inhalte und Kategorien doch recht außergewöhnlich wäre. Viele Zines, die sich mit Musik beschäftigen, belassen es oft bei diesem einen Thema. Im Rampage Zine haben auch politische Ideen, Kunst, Gedichte, Kurzgeschichten und Literatur ihren Platz. Außerdem befasse ich mich nicht ausschließlich mit lokalen, aktuellen Bands und Künstler*innen. Da ich Musik aus vergangenen Dekaden feiere und immer wieder auf faszinierende historische Persönlichkeiten stoße, möchte ich auch diesen Raum geben. Worauf ich mich jedes Mal ganz besonders freue, ist die Phase, in der alle Inhalte und Texte zusammengekommen sind und es ans Layouten und Basteln geht. Ich liebe es einfach, wenn ein paar triste Word-Dokumente mit Farbe, Mustern und Washi Tapes so richtig zum Leben erwachen! Auch das Entwerfen des Covers macht immer sehr viel Spaß. Die Gestaltung ist mir fast ebenso wichtig, wie die Inhalte und Texte im Inneren.

Das merkt man deinem Zine auf jeden Fall auch an! Machst du selber auch Musik, wenn ja, wo und wie bist du dazu gekommen und wenn nicht, warum verdammt nochmal nicht? 

Leider nein. Ich habe ein paar Mal versucht, verschiedene Instrumente zu erlernen – am liebsten wollte ich Drummerin werden und Songtexte schreiben. Aber ehrlich gesagt war ich immer zu ungeduldig und hatte schon aufgegeben, bevor ich überhaupt ernsthaft damit begann. Tatsächlich habe ich, glaube ich, weniger Angst vor der Bühne, als vor dem Weg dorthin. Bei mir muss alles möglichst direkt perfekt sein, sonst frustriert mich das Ganze schnell. Für ein Hobby, das gänzlich auf „üben, üben, üben“ basiert, ist diese Einstellung natürlich ziemlich scheiße und hinderlich, haha. Vielleicht wird es trotzdem irgendwann noch wahr, das Projekt der eigenen Band. It’s never too late!

Wichtige Frage: Was denkst du, warum auf den Bühnen immer noch mehr cis Typen stehen als FLINTA*? Wie kann man das ändern?

Ich glaube, es hat tatsächlich viel mit der Sozialisation der Geschlechter zu tun. Die läuft eher unbewusst und subtil ab, deshalb merkt man lange gar nicht, wieso man vor einer gewissen Aufgabe oder Herausforderung so zurückschreckt. Oder krass hohe Ansprüche an sich stellt. Dazu kommen dann noch die persönliche Umgebung und der Freundeskreis, die dieses Verinnerlichen sozialer Normen meist verstärken. Während mein Partner schon als Teenager Bass gelernt und mit all seinen Kumpels mal schnell eine Band gegründet hat, wurde meinen Freundinnen und mir suggeriert, vor allem hübsch aussehen zu müssen und dieses Ziel zum Mittelpunkt unserer Freizeit zu machen. Dementsprechend spielte auch keine von uns aus freien Stücken ein Instrument, das ihr nicht vom Elternhaus aufgequatscht worden wäre und welches nicht gänzlich ungeeignet für eine Rock-/Punkband gewesen wäre. Diese vergangenen konservativen Jahrzehnte, in denen wir aufgewachsen sind, ziehen einen unglaublich langen Rattenschwanz hinter sich her, weshalb FLINTA* es auch heute immer noch schwerer haben, eine Bühne zu betreten. Das Perfide ist, dass Repräsentation so wichtig ist, um junge Menschen zu ermutigen, Musik zu machen. Nur woher soll die so schnell kommen, nachdem für uns selbst die Vorbilder früher rar gesät waren? Zusätzlich dazu wurde uns an den erfolgreichen Frauen, die es gab, schnell aufgezeigt, dass die „Fuckabilty“ und das öffentliche Auftreten in öffentlichen Diskursen immer wichtiger sein würden als jeglicher künstlerische Ausdruck. Das schreckt ab. Sowohl patriarchale Strukturen und Erziehung, ein sexistisches Musikbusiness, als auch das daraus resultierende individuelle Selbstwertgefühl von FLINTA* sind meiner Meinung nach in dieses Problem verstrickt. Jedoch brauchen grundlegende Veränderungen immer Zeit – schon vor über 20 Jahren wurde in der Punkszene auf das Problem aufmerksam gemacht. Nun sind wir immerhin schon mal so weit, es besser zu erkennen, zu benennen und ernsthaft zu diskutieren. Durch dieses zunehmende Bewusstsein sind in den letzten Jahren zum Glück auch schon sehr viele FLINTA*-Bands entstanden. Weiterhin müssen praktische Konsequenzen, Förderprogramme und Verantwortungsbewusstsein auch seitens der cis-Männer umgesetzt werden. Wenn die Entwicklung so weitergeht, realisieren hoffentlich schon heutige Teenager, dass man unabhängig von Geschlecht (und anderen Kategorien) all das machen kann, darf und sollte, was man möchte.

Was bedeutet Feminismus für dich?

Im Prinzip genau das. Wir kämpfen dafür, dass jede*r das machen darf und kann, was mensch möchte – solange es niemandem schadet, natürlich. Dafür, dass die seit Jahrhunderten gesellschaftlich geltenden und forcierten Normen und Stereotype als das erkannt werden, was sie eben sind – gesellschaftliche Konstrukte, die zu viele Menschen fundamental einschränken und diskriminieren, während sie einigen wenigen ihren Machtstatus und ihre Privilegien sichern. Das hängt sowohl mit der geschlechtlichen Komponente als auch mit anderen sozialen Markern zusammen, wie Hautfarbe, Behinderung, Sexualität oder die soziale Herkunft. Es ist wichtig, beim Kampf für Geschlechtergerechtigkeit keine Scheuklappen aufzusetzen und auch andere Formen der Diskriminierung mitzudenken und anzugehen. Zudem sollten wir uns nicht im (akademischen) „woken“ Elfenbeinturm im Kreis drehen, sondern Ideen und Theorien möglichst praxisnah Anderen näherbringen. Ein Zine kann dafür sehr sinnvoll sein.

Was war das letzte Konzert, das du vor Corona besucht hast?

Da war ich bei einer kleinen Punkrock-Show im örtlichen Jugendzentrum, wo einige Bands gespielt haben, die ich auch persönlich kenne: Sidewalk Surfers und Hall Of The Mountain King aus dem Saarland sowie The Muttnicks aus Hamburg. Es hat tatsächlich eine Woche vor dem ersten Lockdown 2020 stattgefunden und war für viele Leute aus der Gegend das vorerst letzte Konzert. Unser letzter schöner Frühlingstag :‘)

Wir sind schon am Ende angelangt! Gibt es etwas, was du hier gern noch beantwortet hättest und was nicht zur Sprache kam?

Mitte Juli 2021 kommt die neue und fünfte Ausgabe des Rampage Zine! Die Nummer 5 ist doppelt so lang wie bisher, enthält viele großartige Beiträge von verschiedenen Leuten und wie immer: pulp, punk & poetry. Ich freu mich total darüber, dass sich so viele beteiligt haben und wie schön es geworden ist <3 Wer eine Ausgabe haben möchte, schreibt mir einfach eine kurze Mail mit der Mengenangabe und der Adresse an: liz.rampage@outlook.de. Danke für den Support!

Vielen Dank für das Interview, liebe Liz – und jetzt bestellt Zines, Leute!