Cat-Calling. Eine Geschichte von Lea

Mit Cat-Calling bezeichnet man verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum, also anzügliche Kommentare, Hinterherrufen oder Nachpfeifen auf der Straße, auf Plätzen, in der U-Bahn oder im Einkaufszentrum.


Diese widerliche, als „Kompliment“ getarnte Machtdemonstration richtet sich meist gegen weiblich gelesene Personen, gilt in einigen Ländern (Deutschland gehört leider nicht dazu) bereits als Straftat und wird mit einer Geldstrafe geahndet.
Im Folgenden berichtet Lea von ihren Erfahrungen.
Das Foto ist vom Instagram-Account der Gruppe „Catcallsofmg_“

Lea erzählt:

„Vorne weg: Macht euch darüber bewusst, dass Cat Calling hauptsächlich weiblich gelesene Personen betrifft und es meist von cis Männern ausgeht!
Die erste Situation an die ich mich erinnere, in der ich Cat Calling erfahren haben war, als ein ca. 60jähriger Herr meine „schönen Lippen“ kommentierte als ich aus dem Zug stieg. Ich war 13 und trug heimlich einen roten Lippenstift. Danach habe ich ihn erst einmal nicht mehr getragen, nicht über den Vorfall geredet und um ehrlich zu sein auch nicht bemerkt wie problematisch dieser Kommentar eigentlich war.

Fortsetzung nach dem Facebook-Teaser:


In diversen vor allem feministischen Zines findet man Artikel zu dem Thema, also warum mache ich mir die Mühe und schreibe nochmal auf wie doof das doch alles ist?

Alles nochmal auf Anfang:
Seit einiger Zeit gibt es bei Instagram Accounts mit den Namen „catcallsofstadteinfügen“. Hinter diesen Accounts stecken Leute, die sexuelle Belästigung in Form von Cat Calling öffentlich machen.
Betroffene können ihnen ihre erlebten Situationen schreiben und die Betreiber*innen kreiden diese dann an dem Ort an (natürlich alles anonym). Zum einen werden die Situationen mittels Fotos im Netz verbreitet, aber auch Leute auf der Straße werden darauf aufmerksam gemacht.
Ich habe vor ein paar Wochen der „catcallsofmg“ Seite eine von mir erlebte Situation geschrieben.

Als die beiden Frauen, die die Seite führen, das in der Innenstadt angekreidet haben, wurden sie vom WDR interviewt. Der Beitrag lief einige Tage später in der Lokalzeit Düsseldorf. Ebenfalls wurde auch ein Passant befragt. Ein Auszug aus seiner Aussage: “Wenn jetzt so Frauen älter geworden sind, dann sagen die: ja die war so hübsch, da haben alle Männer hinterhergepfiffen. Da haben die das ja nicht so empfunden!“
In dem Kreis in dem ich mich so bewege konnte ich bisher sehr offen mit den Leuten über die Thematik reden. Mir wurde zugehört und ich konnte mich mit weiblich gelesenen Personen über die Erfahrungen austauschen. Aber auch meine cis männlichen Freunde und Bekannte waren bereit mit mir darüber zu reden, sie kennen die Problematik und positionieren sich auch klar dagegen. Da bin ich dann manchmal leider so naiv und denke mir, dass es den meisten das Problem mit sexueller Belästigung und Cat Calling ja bewusst ist. Ne, Pustekuchen!

Ich war so sauer nach der Aussage des Passanten, dass ich meiner Wut erstmal im Internet Luft lassen musste. Zum einen meine Hoffnung in mein Umkreis zu bestätigen (hat geklappt) und zum anderen damit sich vielleicht auch Personen angesprochen fühlen, die sich bisher noch nicht damit auseinander gesetzt haben. Naja, Ende vom Lied waren ein paar „aufklärende“ Posts meinerseits, weiterer Erfahrungsaustausch mit anderen betroffenen weiblich gelesenen Personen, Zustimmung von Frauen und…keine Reaktion von irgendeiner männlich gelesenen Person.

Ob ich mein zweites Ziel erreichen konnte? Ich hoffe irgendwie, dass gerade jemand in seinem Kämmerchen hockt und sich Gedanken macht, ja! Da mir der Umfang der Posts aber zu kurz war, wollte ich dann mal alle meine Gedanken aufschreiben und einige Sachen weiter ausformulieren. Kurz kam bei uns auch die Frage auf inwiefern uns Cat Calling Situationen auf beispielsweise Konzerten aufgefallen sind. Flott nachgedacht. Tatsächlich mir persönlich nicht.

Hier schlägt eher das aktive Ansprechen an und weniger ein beiläufiges Zurufen. So meine Erfahrungen. Vielleicht sind die Männer dann doch zu feige, weil auch sie direkt in der Situation „gefangen“ sind und sich nicht einen blöden Spruch im Vorbeigehen aus dem Ärmel schütteln können, auf den dann meist keine Reaktion folgt. Nur eine These, es gibt natürlich auch genug Deppen, die einen offensiv einen dämlichen und sexistischen Spruch an der Bar ins Gesicht drücken. Das ist aber erstmal ein anderes Problem! Wobei ich mich auch frage OB überhaupt irgendeine Art von Antwort erwartet wird?

Auch wenn dafür meist gar kein Raum gegeben ist. Klassische Situationen hierfür sind auch hupende Autos oder Sprüche, die einem aus dem Auto zugerufen werden oder wie ich es nenne „die Endgegner des Cat Callings“. In diesen Momenten ist mensch einfach vollkommen ausgeliefert und es gibt nicht einmal Chance darauf reagieren zu können!

Eine Frage die mir bei diesem Ganzen auch immer wieder im Kopf herumspukt ist die Intention der Männer. Sind sie so sozialisiert von der Gesellschaft, dass sie wirklich denken es sei ein Kompliment?
Oder ist es lediglich Machtausübung und Unterdrückung? Lediglich ein Gedanke, der hier weder Anfang noch Ende hat und so stehen bleiben wird. Sonderlich sicher ob mir da jemand eine allumfassende Antwort liefern kann bin ich da nämlich nicht, aber wenn doch freue ich mich davon zu lesen.
In den letzten Tagen als ich diesen Text geschrieben habe, ist das Thema Cat Calling, sexuelle Belästigung, Sicherheit von Frauen auf den Straßen, und ähnliche wieder so weit in den Medien verbreitet, aufgrund des Falles von Sarah Everard in Großbritannien.

Es freut mich erst einmal, dass es so intensiv thematisiert wird. Schade nur natürlich, dass es erst einmal wieder soweit kommen musste bis das ganze Problem überhaupt als ein immer noch aktuelles Problem wahrgenommen wird. In dem Zuge haben sich auch viele in sozialen Netzwerken dazu geäußert, Posts geteilt, Aufklärungsarbeit geleistet. Als betroffene Person tippt mensch halt einfach durch die Posts und es ist kaum etwas Neues dabei.

Olle Kamellen, mit denen sich Betroffene halt immer wieder befassen und ausdiskutieren. Dazwischen dann auch cis Männer, die selbst solche Posts teilen. Finde ich gut, wenn diese Personen sich damit beschäftigen und auch weiterverbreiten! Es ist an dem Punkt nicht nur die Aufgabe der betroffenen Personen jeden einzelnen cis Mann dafür zu sensibilisieren.
Problematisch wird es dann nur, wenn es bei dem Teilen eines nett gestalteten Instagramposts bleibt. Einige denken dann leider wirklich nicht über den Tellerrand hinaus. Sie teilen fleißig solche Posts, klopfen sich auf die Schulter, dass sie ja ach so supportive als cis Mann sind und sind dann der Meinung sie hätten Sexismus besiegt.

Zusätzlich muss ich mich dann ärgern wenn die Herren, die selbst übergriffige Verhaltensmuster zeigen und dann ach solch aufklärende Posts teilen, die eigentlich genau diese Person ansprechen. Ihr seid selbst Teil des Problems herrje!
Komisch ist ja auch, dass ja kein Mann cat called und auch deren Freunde total korrekt sind und so etwas nicht tun. Warum wird mir dann aber trotzdem noch auf der Straße hinterhergerufen, man wolle mich gerne ficken?

Also als Tipp, wenn ihr (vor allem als cis Mann) nicht davon betroffen seid: Sprecht mit euren befreundeten Personen über ihre Erfahrungen mit Cat Calling, hört ihnen zu, relativiert ihre Erfahrung nicht und sprecht ihnen diese auch nicht ab. Macht aber auch klar, dass die Person nur darüber reden muss, wenn sie damit einverstanden ist. Sprecht auch mit euren Freunden darüber, vor allem wenn sie selbst so ein Verhalten aufweisen. Und ganz wichtig natürlich: Schreitet ein, wenn ihr solche Situationen mitbekommt! (eine Bekannte schrieb mir: aufmerksam sein und pöbeln). Seid euch eurer Privilegien bewusst und nutzt sie in solchen Momenten.
Cat Calling ist übrigens nicht strafbar, falls sich das schon jemand gefragt hat. Zur Verhältnismäßigkeit ein kurzer Vergleich: Ich darf einen Polizisten nicht „Du Mädchen“ nennen, aber Fremde dürfen mich anpfeifen als wär ich ein Hund und mir dann zurufen was für einen „schönen Vorbau“ ich denn habe oder dass einem „bei so einem Anblick der Sack platze“.
Natürlich ist Cat Calling nur ein Teilbereich der übergriffigen Alltagssituationen mit denen sich meist Frauen rumschlagen müssen. Ich könnte mich auch noch ausführlich über weitere Punkte auskotzen. Das würde aber den Rahmen bei weitem sprengen und ich könnte anschließend ein ganzes Buch schreiben und binden lassen. Wenn mir dann nochmal jemand auf der Straße hinterher pfeift, könnte ich das dann aber hinterherwerfen, ganz nach dem Motto „wer nicht hören kann muss fühlen“.
Wobei das das Problem vermutlich auch nicht nachhaltig beheben würde, da sich dann doch niemand angesprochen fühlt und den Brocken lesen würde naja…
Wenn ihr betroffen seid, redet darüber mit befreundeten Personen! Natürlich ist das leichter gesagt, denn es sind nun mal unglaublich unangenehme Situationen, teilweise auch verbunden mit Scham.
Aber es ist keine Nichtigkeit, es ist kein Kompliment und erst Recht niemals eure Schuld!

Nun das Schlusswort: Wir werden nicht schweigen bis sich etwas ändert!“