Wenn der Punkopa erzählt

Zweimal was mit Bullenschweinen

[1] Wann genau ging die Scheiße mit den Nationalsozialismus-Vergleichen eigentlich so richtig los? Ich kann mich an Hundebesitzer erinnern, die ihren Töllen Judensterne anpappten, als es um ein Gesetz gegen Kampfhunde ging. Gauland die Badesachen klauen = Zivilisationsbruch! Jugendliche, die in Stuttgart randalieren = Zivilisationsbruch!

Und jetzt als Teilchenbeschleuniger die „Querdenker“. Das Impfgegner-Judenstern-T-Shirt kann bequem online bestellt werden. Das unerträgliche Leben unter der Knute des Merkel-Regimes bzw. der Merkel-Diktatur (natürlich schlimmer als Hitler) wird erleidet. Jana aus Kassel ist im Widerstand, wie damals Sophie Scholl und ein verblendetes Kind fühlt sich wie Anne Frank, __________________ (fülle hier dein aktuelles Beispiel aus dem Internet ein.)

Man will sich die Hände an den Kopf schlagen – oder lieber an andere Köpfe – ob dieser Dummheit, Geschichtsvergessenheit und Perfedie. Und die Wut in meiner Internet-Blase kocht langsam über.

Mir geht aber gerade auch „unsere“ eigene Dummheit durch den Kopf. Denn „wir“ haben auch einiges auf dem Kerbholz. Glaubst du nicht? Doch, doch …

„Polizei SA/SS“ [Slime] „Polizeistaat. Die Bullen sind so fleißig. Polizeitstaat. Wie damals ’33“ [Toxoplasma] „Sie fordern unsere Köpfe, stellen uns an die Wand“ [Daily Terror]

Nur ein paar Beispiele, die mir ohne große Recherche eingefallen sind. Ich vermute, es gibt Abertausende mehr. Liest sich HEUTE irgendwie seltsam. Geschichtsvergessenheit und Opferrolle hatten wir auch im Programm. Leider. Als die Cops damals eine Party von uns aufgemischt haben – nix mit Politik, sondern solide Pöbel & Gesocks – Auswüchse unsererseits – wähnte ich mich auch im faschistischen Bullenstaat (über die prägenden Erfahrungen in Bezug auf Polizeigewalt, die mir damals zuteilwurden, erzähle ich dann ein anderes Mal). Das war natürlich Quatsch, an den ich damals glaubte. Niemand von uns ist abgeholt worden und verschwunden. Niemand ist an die Wand gestellt worden. Es gibt da auch keine Dunkelziffer. Das „neue ’33“ haben wir uns schön zusammenphantasiert.

Ja, ja, hinterher ist man immer schlauer und es ist vergleichsweise leicht, Jahrzehnte später zu solchen Erkenntnissen zu kommen. Ich will hier auch nicht die Dummheit, Geschichtsvergessenheit und Perfedie der „Querdenker“ relativieren. Die ist real und macht mir Angst. So real, wie auch Erfahrungen mit Polizeigewalt sind. Ich denke nur, „wir“ könnten diejenigen sein, die sich den Vergleichsscheiß für die Zukunft sparen.

[2] Die Erfahrung, dass Freunde, Bekannte, entfernte Bekannte in das Lager der Schwurbler abdriften, macht in meinem Umfeld aktuell (fast) jeder. Das eine Punkrockvergangenheit oder -gegenwart nicht vor dem Abdriften schützt: Passiert. Öfter, als man glauben will.

Mich befremdet noch etwas Anderes. Wieso mutieren Menschen aus unseren Kreisen neuerdings zu Freunden der robusten Polizeieinsatzes? Wasser marsch! Knüppel aus dem Sack! Hau-drauf-und-Schluss! Den „Querdenkern“ aufs Maul! Vielleicht würde ich auch „klammheimliche Freude“ verspüren, wenn die Cops hier mal abräumen würden, wie es bei linken Demonstrationen Sitte ist. Und tatsächlich schreit einen die Laschheit und Nachsicht letztens in Leipzig und Berlin im Vergleich zu eigenen Erlebnissen auf diversen Demos an. Trotzdem hab‘ ich keinen Bock auf den „Träffe mal die Richtigen“ – Kurzschluss. Der Ruf nach dem „starken Staat“ ist ein sicheres Eigentor, auch wenn er kurz Erleichterung schafft. Nicht mein Business. Dafür sind Rainer Wendt, Boris Palmer und andere Vögel zu ständig. Mich interessiert, wie wir nach der Kack-Pandemie mit den Schwurblern wieder reden wollen. Ich hab‘ leider keine Idee.

wie wollen wir miteinander umgehen? – anders! [pogendroblem]