Sarah von Akne Kid Joe

So Sarah,
die folgende Frage zieht sich für mich wie Kaugummi durch meine eigene
Szene-Existenz:
Weist man lieber explizit drauf hin, dass in der Band /beim Fanzine /in
der Konzertgruppe eine Frau dabei ist,
um Frauen in der Szene sichtbarer zu machen?
Oder hält man sich mit der Info bedeckt, um eine Selbstverständlichkeit
zu schaffen?


Ja, das alte Dilemma, beide Herangehensweisen haben ja auch ihre Berechtigung.
Ich persönlich finde es besser, wenn es nicht extra erwähnt wird. Ich finde es irgendwie gut, wenn AKJ nicht als „Band mit einer Frau“ gesehen wird, sondern einfach als Band, so wie jede andere auch. Trotzdem ist mir das Thema natürlich ein Anliegen, sonst würde es jetzt ja auch nicht diesen Song geben.
Um einen Normalzustand zu erreichen, bei welchem ein ausgewogenes Geschlechterverhätlnis selbstverständlich ist, braucht es eben auch ein gewisse Empowerment-Phase, damit mehr Frauen* zu Instrumenten greifen und sich auf eine Bühne trauen. Bezeichnungen wie „female-fronted“ tragen meiner Meinung nach eher dazu bei, dass nicht-männlichen Bands ein Exotenstatus anhaftet und eine zu deutliche Reduzierung aufs Geschlecht stattfindet. Dennoch sehe auch ich mich immer wieder in der Rolle, in der ich mich als Frau in der Szene behaupten muss, weswegen der Titel des Songs auch recht polemisch „Sarah (Frau, auch in ner Band)“ lautet. Also hier reduzieren wir ja wieder aufs Geschlecht. Aber es erschien uns einfach als gute Möglichkeit total runtergebrochen darauf hinzuweisen, dass es sowas auch gibt – Frauen, die in Bands spielen.

Du sagst in deinem Video „ich hatte keine Lust mehr auf
„Frauenkram“…was ist denn damit gemeint?
Und wärs nicht an der Zeit, mal die Frauen in der Szene zu fragen, was
„Frauenkram“ für sie überhaupt ist und ob dieser nicht noch
mehr Platz in der Szene finden sollte, um sich nicht immer dem
männlichen Standard anzupassen?


Das Wort Frauenkram ist in dem Zusammenhang ironisch gemeint. Es spielt auf all die Sachen an, die für Frauen* in der Szene so vorgesehen sind. Also sie können z.B. Fans sein oder Merch verkaufen, wenn sie mit irgendeinem männlichen Bandmitglied zusammen sind. Das ist quasi alles ok. Aber aus gesellschaftlicher Sicht ist es ungewöhnlich, wenn Frauen* z.B. selbst auf der Bühne stehen oder die Veranstaltungstechnik bedienen, Bands buchen oder ähnliches. Also, ich finde es nicht schlimm, wenn Frauen* „nur“ musikalische Endverbraucherinnen sind oder am Merchtisch stehen und es muss auch nicht jede Frau* auf einer Bühne sein. Es geht mir einfach darum, dass jede Person das machen sollte, worauf sie Lust hat und ich weiß, dass es viele Frauen* gibt, die Lust hätten, in einer Band zu spielen, dies aber aus diversen Gründen nicht machen. Die Hürden dafür sind manchmal einfach noch zu groß, was verschiedene Gründe hat – Sozialisation ist sicher eine davon. Die Hemmschwelle für Jungs im Kindes- & Jugendalter ein Instrument wie z.B. Schlagzeug oder E-Gitarre zu lernen ist deutlich geringer als für Mädchen. Genauso sieht es ja im übrigen auch bei Sportarten wie Fußball aus oder dem Erlernen eines technischen Berufes. Je mehr Frauen* sich auch solchen vornehmlich von Männern ausgeübten Tätigkeiten annehmen, desto mehr werden andere bestärkt diesem Beispiel zu folgen und über den gesellschaftlich vorgegebenen Tellerrand zu schauen, was ihre Pläne bzgl. Selbstverwirklichung betrifft.

Du hast dir Alex von Pascow an deine Seite geholt, damit er, per
Einblendung, den Männern auch nochmal sagt,
dass sie mal einen Schritt zurück treten sollen.
Klar ist Alex ein cooler Typ und schafft auch sicher Reichweite und
findet Gehör…aber muss man sich nen Mann
als Verstärkung holen, um die eigenen Worte nochmal zu unterstreichen?


Klar, so kann man das schon sehen, aber so ist es nicht gemeint. Also, ich brauch sicher keinen Mann, der das nochmal zusammenfasst, was ich zu sagen habe. Das schaff ich schon allein. Mir gehts aber darum, dass ich einfach nicht einsehen will, dass Feminismus und Gleichberechtigung ein Thema ist, das nur Frauen* etwas angeht. Deswegen fanden wir das Feature an der Stelle ne gute Sache. Alex und auch meine Bandkollegen sind Menschen, die mich ständig unterstützen und die dazu beigetragen haben, dass ich mich da jetzt auch so selbstbewusst hinstellen kann und so nen Song singe. Vor ein paar Jahren hätte ich mir das sicher noch nicht zugetraut. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar und das zeigt mir auch, dass das Thema uns alle was angeht und nicht nur einen Teil der Bevölkerung.
Und klar, ich gebe dir Recht, dass Alex ein Mann ist, der Gehör und eine große Reichweite hat. Das ist unserem Anliegen mit dem Song, nämlich Frauen* zu bestärken ihre evtl. vorhandene musikalische Leidenschaft auszuleben, sicher dienlich. Wir hatten Alex aber nicht aufgrund seines Status in der Szene für diese Rolle einkalkuliert, sondern haben ihn in den letzten Jahren richtig gut kennengelernt und wissen, dass er für dieses Thema sehr sensibel ist. Beim letzten „Angst macht keinen Lärm“ Festival (also von PASCOW mitorganisiert) wurde z.B. auch auf ein diverses Geschlechterverhältnis geachtet. Das ist für andere Veranstaltungen in dieser Größenordnung leider nicht selbstverständlich.

Ganz am Ende eures Videos hört man die Stimme aus dem Off „…ja, nicht
schlecht…“ was sicher ironisch/witzig gemeint war.
Wie oft hast du den Satz „für ne Frau ganz gut“ schon im Ernst gehört?
Ich hör den von Zeit zu Zeit, wenn Bands bei mir daheim sind: „sehr
geile Plattensammlung für ne Frau“


Die Stimmen am Ende beziehen sich darauf, dass ich die Deutschland- und Europafahne umschubsen musste und es nur diesen einen Take gab, weil wir das Set nie wieder so aufstellen hätten können, dass es exakt gleich ausgesehen hätte wie vorher. Ich war aufgeregt deswegen und hab ein paar Trockenübungen gemacht und dann kam der Moment und alle waren angespannt, ob es klappt oder nicht. Und zum Glück hat es ja auch ganz gut funktioniert, deswegen hat die Stimme aus dem off „nicht schlecht“ gesagt. Tatsächlich hab ich solche Sätze wie „für ne Frau ganz gut“ echt schon lange nicht mehr gehört, was mir aber auch zeigt, in welcher Filterblase ich mich privat so bewege. Aber ja, ich höre sowas oft von Freundinnen und ich finde das einfach nur zum kotzen.

Danke für deine Zeit, ein ausführliches Interview mit dir und dem Rest der Band gibt’s dann im Plastic Bomb #111 Mai 2020.




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