Human Parasit #16

Nun habe ich die letzten Human Parasiten zwar immer für die Bombe rezensiert, hatte dabei aber immer wieder ein schlechtes Gewissen, dass meine Worte eher oberflächliche Inhaltsangaben mit wenig Bezug auf einzelne Artikel waren. So nehme ich mir dieses mal ein bisschen mehr Zeit, um den geschriebenen Worten meines Freundes Bäppi etwas mehr gerecht zu werden.
Wir fangen beim offensichtlichsten an: Bäppi layoutet in einem unverkennbaren Stil, der ein Mix aus liebevoll zusammengestellten digitalen Schnippseln und grob frei gestellten, witzigen Fotos ist, immer mit dem gleichen Photoshop-Mosaik-Filter, den der Mann scheinbar heiß und innig liebt.
Das Vorwort finde ich ein wenig sperrig, Bäppi kotzt sich einmal mehr darüber aus, was aus Punk geworden ist. Ich denke auch viel über dieses Thema nach, habe aber immer das Gefühl, wahnsinnig nach alter Oma zu klingen, wenn ich mich über die Verkommenheit des Nachwuchses und „wie die Dinge geworden sind“ beschwere, bei Bäppi ist das leider ein ähnlicher Eindruck.
Punk ist in der Mode angekommen? Punk KOMMT doch (streng genommen) aus der Mode, bzw Punk und Mode haben sich immer gegenseitig befruchtet, das funktioniert in beide Richtungen. Klar erinnere auch ich mich an die lustige Zeit, als wir auf Verrottungfahrt mit dem RE-irgendwas nach irgendwo getuckert sind, Bäppi unterwegs mit Zahnseide neue Aufnäher auf seine schäbigen, bunten Klamotten genäht hat und wir bei Ankunft feststellten, dass das Konzert schon vorbei war. Aber so ist das nun mal, schöne Erinnerungen, aber ich kann sie nicht zurück erzwingen …und will mich auch nicht beklagen, dass sie vorbei sind, denn das erscheint mir beim Lesen, wie gesagt, etwas jammerig.
Ein paar Seiten weiter hinten lesen wir dann dazu passend die Geschichte, in der Bäppi mit Schwiegervaters Benz zum Punkfestival fährt und sich ärgert, dass der Stern abgebrochen wurde. Hüstel hüstel…klar ist das ärgerlich, wenn man geborgtes Eigentum nicht vollständig zurück geben kann. Aber die Frage nach dem „Warum“ und der nicht erklärbaren Zerstörungswut der Menschen ist natürlich auch mit der Unreflektiertheit der Jugend zu beantworten, der in eben diesem Zine immer wieder nachgehangen wird.
Klar kann man sich in einem weiteren Artikel auch fragen, warum Platten und Konzerttickets immer teurer werden und ob das alles noch vertretbar ist, kann mit Skalpell und Pinzette das Thema „wie viel darf ein Konzert kosten, darf die Band / die Veranstalter_innen / die Helfer_innen Geld verdienen“ dran gehen. Aber wenn man im nächsten Beitrag erzählt, dass man ohne groß nachzudenken 20,- für eine Theaterkarte bezahlt hat, obwohl man schon vorher wusste, dass das Stück wohl scheiße wird, oder öffentlich darüber nachdenkt, dass man sein Geld mit Freude einem Tabakkonzern in den Rachen wirft, sollte man vielleicht doch mal kurz inne halten und den Aufrufe zum Nachdenken selbst nachkommen.

So, genug geschimpft, das würde meinen Eindruck vom 16.Human Parasit (bei dem sich die Gelehrten übrigens seit der Nummer 1 streiten, ob man es „Human Parasit“ oder [Hjumän Päraseit] ausspricht) auch verzerrt darstellen. Ich fühle mich nämlich einmal mehr wahnsinnig gut unterhalten. Bäppi gibt mir als Leserin stets das Gefühl, live dabei gewesen zu sein, egal, was er erzählt. Und das funktioniert sicher auch, wenn man den Mann hinter dem Fanzine nicht persönlich kennt. Obwohl es natürlich super Spaß macht sich vorzustellen, WIE geil Bäppi bei seinem Casino-Besuch ausgesehen haben muss. Die Berichte sind, wie gesagt, mitreißend und unterhaltsam, die Kurzbeiträge und Einschätzungen geben immer Anlass zum Nachdenken und die Interviews sind lesenswert, da die Fragen gut durchdacht sind. Die Idee, Zitate und Songtexte, auf die Bezug genommen wird mit abzudrucken, ist super.
Richtig geile Fanzinerarbeit, die ja eine sehr alte Kunst ist, die immer mehr im Sumpf der Magazine und digitalen Medien versickert, das wollte ich auch mal gesagt haben.
Bäppis Hauptthema ist zur Zeit der Bauernhof, auf dem er den Eltern seiner Freundin Caro scheinbar grade viel Gesellschaft leistet. Ich bin mir nach dem Lesen all der Texte zum Thema noch immer nicht sicher, ob er diese neuen Lebensentscheidungen nun liebt oder hasst, ob er sich damit arrangiert oder die Zeit seines Lebens auf dem Bauernhof hat, aber das alles weiß man bei Bäppi ja nie so genau. Und beim „dazu erfinden“ ist der Mann ja fast so kreativ wie unser Kollege Ullah.
Aber ich staune seit 16 Ausgaben über den Mut und das Selbstbewusstsein, SO viel vom eigenen Privatleben in einem Fanzine Preis zu geben. Ich persönlich bin damit schon zu oft auf die Schnauze gefallen, aber ich freue mich natürlich immer sehr, so viel aus der Gefühlswelt und dem Alltag eines Menschen zu erfahren, von dem ich persönlich leider viel zu wenig mitkriege. Vielleicht setz ich mich demnächst mal wieder in den RE-irgendwas und komm aufm Bauernhof rum! Ronja