Eine Filmempfehlung von Tschmie: The Old Oak

Jede Person, die sich für Filme der Arbeiterklasse, den Underdogs, den gesellschaftlich Abgehängten interessiert, die kommt an diesen Regisseur nicht vorbei. Zu seinem Lebenswerk gehören über 40 Filme in denen er als Regisseur, Schauspieler oder Produzent mitgewirkt hat. Vor allem hat Loach einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Spannungsfelder. In „Just a Kiss“ verliebt sich Roisin, eine geschiedene Musiklehrerin an einer katholischen Schule, in den aus Pakistan stammenden DJ Casim. Roisin, die bisher halbtags als Musiklehrerin gearbeitet hat, wird eine Vollzeitstelle an ihrer katholischen Schule angeboten. Dafür braucht sie nur eine Unbedenklichkeitserklärung ihres Gemeindepfarrers. Der Priester verweigert die Erklärung, da er erfahren hat, dass Roisin mit einem Moslem zusammenlebt und mit ihm außerehelichen Geschlechtsverkehr hat. Der Film „The Navigators“ thematisiert die Privatisierung der britischen Eisenbahn und wie der Druck der neuen profitorientierte Arbeitgeber nicht nur die Belegschaft und Freundschaften spaltet, sondern auch Arbeitnehmer in tödliche Risiken drängt. „The Wind That Shakes the Barley“ zeigt die Geburtsstunde der IRA und „Carla`s Song“ die post-revolutionäre Geschichte der Sandinisten in Nicaragua. Dies ist nur ein kleiner Teil seines Lebenswerks, soll aber zeigen wie er der Arbeiterklasse als linker Filmemacher verbunden ist. Während der Thatcher Ära wurden seine Filme zensiert und in den letzten Jahren hat er sich mit den Streiks von Reinigungskräften und Fabrikbesetzern solidarisiert. Nun aber zu seinem vermutlich letzten Film „The Old Oak“.

„The Old Oak“ ist der letzte verbleibende Pub, geführt von TJ Ballantyne, in einem ehemaligen Grubendorf im Nordosten Englands. Seitdem die örtliche Grube nach dem Bergarbeiterstreik geschlossen wurde, stehen viele Häuser leer, weshalb hier syrische Bürgerkriegsflüchtlinge untergebracht werden. Eine von ihnen, die junge Yara, die Fotografin werden und die Welt bereisen will. Ihre Kamera hat sie von ihrem verschleppten Vater bekommen – und ausgerechnet die wird gleich bei ihrer Ankunft von einem rassistischen Demonstranten zerstört. TJ wiederum tut alles, um den Flüchtlingen die Ankunft ein Stück weit zu erleichtern und lernt dabei auch die Yara kennen. Gemeinsam entwickeln sie einen Plan, um gegen die Spaltung der Gemeinschaft vorzugehen. Ein Plan, den schon die Mienenarbeiter während der Streiks nutzten, um zusammen zu halten. Während die Regierung einst die Mienenarbeiter und ihre Familien aushungern lassen wollte, organisierten sie unter dem Motto „when we eat together, we stick together“ eine VoKü, um so die Solidarität weiter zu stärken. Diesen Plan verfolgen beide und stoßen auf einigen Widerstand. TJ hält sich mit seinem Pub The Old Oak dank einer guten Handvoll Stammgäste gerade so über Wasser. Der Pub ist dort als Bühne des Lebens zu verstehen und der letzte Treffpunkt wo die Menschen noch Augenblicke des Austauschs und des Glückes erleben. Dort treffen sich genau die enttäuschten ehemaligen Mienenarbeiter, die am Existenzminimum leben, ihre Kredite nicht begleichen können, ihren Kindern kein Essen kaufen können – einfach in Scham leben und ihrem Wut auf die Geflüchteten projizieren. Es ist der Kampf um das Wenige was da ist. Und das verursacht Neid! Die Menschen wissen, dass die bedürftig sind und jede positive Geste gegenüber den Geflüchteten ist ein Angriff auf das fragile selbst verstanden. Und da schaut Ken Loach hinter die Wut. Wenn die Jungen der Stadt, die oft den ganzen Tag lang nichts richtiges zu essen bekommen, traurig zusehen, wie ein syrisches Mädchen ein gebrauchtes und total schrottiges Fahrrad gespendet bekommt, muss man Ihnen dann auch erklären, dass sie nicht eifersüchtig sein sollen, denn die aus dem kriegsgebeutelten Syrien geflüchteten Menschen hätten es ja noch viel schwerer als sie.
Das stimmt ja auch – und trotzdem stellt Ken Loach stattdessen die Frage, warum die Jungs in einem der reichsten Länder der Welt nicht auch ein Fahrrad und ausreichend Essen bekommen sollten. Theatralischer wird es bei einem Ausflug von TJ und Yara zu einer Kathedrale, um Essensspenden abzuholen. TJ`s Vater hat immer gesagt: „Die Kathedrale gehört nicht der Kirche, sondern den Menschen die sie erbaut haben.“ Da bekommt man doch sofort Gänsehaut als Gewerkschafter. Weiter will ich auch nicht spoilern und will nur sagen, die Story kann nicht simpler und gleichzeitig nicht eindrucksvoller sein. Es ist vielleicht nicht der beste Ken Loach Film, aber ein sehr schöner mit tollen Momenten. Wer die Möglichkeit hat sich den Film anzuschauen, sollte dies tun, oder ihn sich schnellstmöglich kaufen und im AZ, Juzi, Hausprojekt oder oder oder zeigen.