PTK im Interview (Plastic Bomb 117)

„Hört mehr PTK“ – Dieser kategorische Imperativ ziert mittlerweile einige Häuserwände hier in Berlin. PTK steht für „Pöbel tötet König“ und dieser wiederrum für radikalen Rap. Bekannt der Kreuzberger mit seinen Texten gegen Gentrifizierung und Verdrängung, also einem Thema, welches hier vielen schlaflose Nächte bereitet. Damit trifft er so sehr den Nerv, dass sein aktuelles Album „ Kreuzberg + Gomorrha“ auf Platz sechs der Charts einstieg. Mit seiner Anti Turista-Trilogie hat sich PTK aber gerade in Teilen der Linken nicht nur Freunde gemacht. Sein Repertoire umfasst aber auch ein breites Spektrum an persönlichen als auch sozial- und kapitalismuskritischen Texten. Als politischer Rapper sieht er sich trotzdem nicht. Das fand ich spannend und war Grund genug für ein Interview.

Wenn man zum allerersten Mal PTK hört, würde man dich wohl am ehesten als politischen Rapper einordnen. In Interviews verneinst du aber regelmäßig, dass du dich als solchen siehst. Kannst du erklären, warum das Attribut „politisch“ auf dich nicht zutrifft?
Das trifft auch auf mich zu, aber der Begriff „politischer Rapper“ schließt schon sehr viel von dem aus, was ich noch so mache. Ich selbst nehme mich so wahr, dass ich drei Säulen in meinen Texten habe: Persönliches, besonders am Anfang viel Pöbelei, aber auch Politisches. Die drei P’s sozusagen. Ich habe meine Texte nie politisch genannt. Ich habe mich einfach nur ausgekotzt. Du wirst auf meinen Alben sicher auch Songs finden, die du als politisch bezeichnen kannst, aber das sind auch autobiographische und Pöbeleien. Wenn du umgekehrt mal schaust, wer in Deutschland als Politrapper zählt, ist das eine ganz andere Mucke als die, die ich selber mag und die ich selber mache. Davon will ich mich auch ein bisschen abgrenzen. Natürlich: Wenn du politische Tracks machst, bist du ein politischer Rapper. Aber eben nicht nur.

Von wem würdest du dich denn abgrenzen wollen?
(Lacht) Ok, wenn man von politischem Rap redet, meint man ja hoffentlich meistens linken, nicht rechten. Den gibt es ja auch und das kann man nicht totschweigen. Es muss noch nicht einmal ganz rechts sein, auch sehr konservative Rapper gibt es ja. Aber dieser linke Zeckenrap ist nichts, was ich mir auf die Fahne schreiben würde. Da habe ich auch nette Menschen kennengelernt und ich mag auch einzelne Tracks, mich holt das aber null ab. Bevor du fragst, warum: Das fängt beim Sprachgebrauch an, welche Perspektiven da eingenommen werden und ich mag keine Musik mit dem sogenannten „Augenzwinkern“, oder nur ganz selten. Als Berliner kommt man ja oft aus dem Battlerap, was sich mit Straßensprache mischt. Da gab es auch mal hin und wieder Wortspiele, aber eigentlich ist bei mir schon alles sehr ernst, zumindest in der Musik. Und der politische Rap ist oftmals für mich zu lustig gemeint und trifft nicht meinen Humor.
Du warst aber mal 2015 auch Vor-Act von K.I.Z. und da läuft doch alles über Ironie oder Humor. Bei dir ja aber nicht. Wie hat das überhaupt zusammengepasst?
Ich habe selbst einmal gesagt, ich bin K.I.Z. in nicht lustig. Damals kam „Hurra, die Welt geht unter“ raus und das war ja auch deren, ich würde mal sagen, seriösestes Album – zumindest im K.I.Z.-Universum. Die machen das zum Beispiel super. Die sind echt eine Ausnahme, was den Umgang mit Ironie betrifft. Der Humor ist das trojanische Pferd, die Leute kommen wegen der Party und bekommen trotzdem politische Lines, über die sie nachdenken.
Es hat einfach gepasst, weil ich sie persönlich kenne und sie mich gefragt haben ob ich nicht Lust hätte, die zu begleiten. Das war für mich eine krasse Gelegenheit. Ich war bei 14 Konzerten in 19 Tagen vor etwa 39.000 Menschen und das war natürlich arschgeil. Für mich auch eine Probe vor so vielen Leuten und vor vielen, die mich gar nicht kennen. Es hat aber gut geklappt. Meine Emotion ist Wut und funktioniert auch live (lacht). Das heizt auch gut ein. Aber klar: Vielleicht hat es zehn Prozent wirklich gefallen und der Rest will einfach Party machen. Aber das hast du generell bei so einem großen Act. Da ist ja nicht jeder für die Message. Musikalisch ist es auch nicht so weit weg. Vielleicht ist es eine anderen Form, aber inhaltlich sind wir uns schon ähnlich.

Foto: Cleo de Shivas

Deine Eltern kommen ja aus der Kreuzberger Hausbesetzerszene. Du hast ja schon mindestens dahingehend eine politische Sozialisation mitbekommen, die dich bis heute prägt?
Ich würde das gar nicht so sehr auf meine Eltern schieben. Eigentlich war das nie ein Thema zuhause und sie haben sich auch nicht so sehr darüber definiert. Ich habe auch nicht in einem besetzen Haus gewohnt und sie selbst haben auch nicht aktiv Häuser besetzt, sondern in schon besetzten Häusern gewohnt. Und sie haben sich auch am ersten Mai kennengelernt. Das war der romantische Aufhänger.
Ich glaube, meine Politisierung kommt durch Kreuzberg. Ich habe irgendwann reflektiert, dass ich aus Kreuzberg komme nachdem ich gesehen habe, wie unterschiedlich die einzelnen Teile von Berlin sind. Irgendwann war ich dann mal in anderen Bezirken, wenn man mal einen Grund hatte aus Kreuzberg rauszukommen, sah das schon teilweise sehr anders aus, auch in der Reichtumsverteilung und im Migrantenanteil. Dadurch habe gemerkt, was Kreuzberg überhaupt ist: Viele Künstler, viele Linke, viele Migrantinnen und Migranten beziehungsweise deren Kinder. So zu Beginn der Pubertät habe ich mich erstmals damit auseinandergesetzt. Und die Themen, über die ich rappe, kommen notgedrungen, wenn man hier lebt. Bevor ich wusste, was Gentrifizierung bedeutet, habe ich darüber schon Lieder gemacht, weil meine Miete teurer geworden ist und Menschen wegziehen müssen. Das würde ich eher auf das Viertel beziehen als darauf, dass mir meine Mutter irgendwas erklärt hätte. Das war nie ein Thema.

Aber in der ganzen linken Bubble wirst du ja schon viel gebucht und gibst Soli-Auftritte und so. Du findest da doch schon statt.
Das kam immer mehr durch die Musik und fing so um 2013 und 2014 an. Da ging meine Musik in der Szene rum, ohne dass ich das wirklich wusste und ich habe es selbst erst durch die Anfragen gemerkt. Klar kannte ich zum Beispiel schon immer Antifas oder so. Aber wirklich find das nach ein, zwei Releases an und dann stand ich für die Themen. So kam eins zum anderen. „Anti Turista“ wurde ein Jahr lang auf Indymedia diskutiert, ohne dass ich wusste, was Indymedia überhaupt ist. Ich habe das erst viel später mitbekommen, auch dass es angeeckt ist. Ab Ende 2013 war ich dann in der besetzten Gerhard Hauptmann-Schule und später auf dem Oranienplatz gemeinsam mit geflüchteten Menschen aktiv. Das könnte man meine Politisierung nennen. Da war ich fast vom ersten Tag drin und habe mit den Leuten Musik gemacht. Bis heute haben wir ein Bandprojekt: Antinational Embassy. Das war das Ding, bei dem ich gerade in Berlin, aber auch international, so viele Leute kennengelernt habe. Wir sind mit dieser Band 2019 in Griechenland und ich bin nochmal solo in Paris aufgetreten in besetzen Häusern. Durch die Themen Gentrifizierung und Flüchtlingshilfe habe ich viele Leute kennengelernt. Das war meine Hauptpolitisierung und du wirst dann auch jede Woche gefragt auf Soliparties oder Demos zu spielen

Du hast es gerade schon selber angesprochen und wir müssen auch nochmal über die Line in Anti Turista 1 reden: „Ich seh zwei schwule Bonzenjungs in Designerhemden/Laufen am Kotti rum und sie halten Händchen.“ Das Lied von 2013 spielst du nicht mehr, außer es wird verlangt. Behältst du diese Line noch bei?
Ich habe den Track schon länger nicht mehr im Set. Aber wenn wir ihn doch mal spontan spielen, weil die Menge ihn will, dann rappe ich das nicht mehr und halte stattdessen das Mic zum Publikum hin. Klar haben die Lines bei dem Tonfall viele Menschen in den falschen Hals bekommen und ich kann das auch niemandem absprechen. Ich sage in dem Lied auch nur, was ich sehe und beschreibe eine Situation. Wäre das ein Foto von zwei Jungs, wäre es auch keine homophobe Situation. Ich sage nicht, dass ich Schwule zusammenschlagen möchte oder dass ich sie hasse. Ich habe da einen Kontrast von arm und reich beschrieben. Im Prinzip habe ich mir damit auch ins Bein geschossen, weil es gewissen Leuten Futter gibt und das von der eigentlichen Thematik abgelenkt hat. Es ging mir eher darum: Früher war der Kiez anders zusammengesetzt, da waren alle arm. Dass die Bonzenjungs jetzt schwul sind, hätte ich nicht benennen müssen. War sicher mein Fehler, den ich vor acht Jahren unreflektiert und unbedacht gemacht habe. Es hört nicht auf, dass ich bis heute von Menschen darauf angesprochen werde, und das ist auch deren gutes Recht. Aber es ist auch nicht förderlich, wenn eigentlich klar sein sollte bei allem, was ich sonst so mache, dass mir voll egal ist, wer wen liebt.

Dann zum eigentlichen Thema des Liedes zurück. Nun hat sich ja in der Stadtpolitik zwischen den drei Teilen, also zwischen 2013 und 2021 einiges in der Stadtpolitik getan. Es gibt Vorkaufsrechte, Rekommunalisierung, die Mietpreisbremse, zwischenzeitlich gab es auch mal den gescheiterten Mietendeckel. Das ist ja auch erkämpft worden durch die Mieter*innen-Bewegung. Siehst du dich als Teil derer?
Das ist eine indirekte Art zu fragen, ob ich ein Aktivist bin. So werde ich oft bezeichnet, was ich aber etwas vermessen finde. Ich bin keiner der Leute, die wirklich was erkämpfen. Ich habe ständig Stress mit meinem Vermieter, der mich seit 2013 raushaben möchte, und kenne da Leute, die mir da immer helfen. Ich frage bestimmte Kontakte, die Dokus dazu drehen, Kotti und Co. machen, Mietberatungen machen und die Leute wirklich aufklären und den Leuten wirklich Know How geben. So etwas mache ich ja nicht. Meine Anwältin schaut einmal auf den Brief und findet sofort drei formelle Fehler. Solche Leute haben da wirklich für gekämpft. Meine Musik schafft vielleicht Aufmerksamkeit. Und das ist auch das Feedback, dass ich bekomme. Dann fragen mich Leute, wo sie in Berlin hinziehen müssen, wenn sie nicht gentrifizieren wollen (lacht). Auf Demos in ganz Deutschland läuft meine Mucke. Die ist wohl für sowas schon ein guter Soundtrack, um die Menschen zu empowern. Aber ich würde nicht sagen, dass meine Musik dafür gesorgt hat, dass in Kreuzberg ein Haus zurückgekauft wurde. Klar ist man bei Soli-Sachen dabei, aber ich fände das vermessen, mir das jetzt anzueignen.

Foto: Cleo de Shivas

Ich finde ja, dass du auch sehr viel romantisierst und an eine „gute alte Zeit“ anknüpfst, die es gar nicht wirklich gibt. Also wenn du als jemand, der 1988 geboren ist, schreibst, dass er sich das Kreuzberg der 80er zurückwünscht, ist das ja auch eine Projektion.
Klar, da war ich nicht dabei und das kenne ich nicht. Aber das Album heißt ja „Kreuzberg & Gomorrha.“ Auf dem Album sind 18 Tracks, auch über Polizeigewalt und Leute, die hier im Drogensumpf verloren gehen. Und das ist keine Romantisierung von Kreuzberg. Im Gegenteil. Das alles findet hier statt. „Ihr habt meinen Bezirk zum Ballermann gemacht/Dafür hasse ich meine Stadt“ rappe ich in Anti Turista 3. Ich rede ja auch von Dingen, die ich kacke finde. Zum Beispiel dass es hier viele alte Leute oder auch kleine Kinder gibt, die niemand haben will. Das sehe ich ja auch jeden Tag hier in Kreuzberg. Die Menschen sind vielleicht hier so geworden, weil es so ist, wie es ist. Auf dem aktuellen Album rappe ich auch „Berlin ist kalt so wie Alaska.“ Millionen Menschen leben miteinander und keiner kennt oder hilft sich. Das ist ja auch alles hier und das sehe ich hier. Das ist keine Romantisierung, das ist alles auch harte Kritik an Kreuzberg. Dieser Mythos Kreuzberg war immer Krawall und Aufstand, aber auch Kunst und Multikulti. Das romantisiere ich schon, weil es ein Stückweit verschwindet oder sich kommerzialisiert. Das finde ich auch schade. Ich finde es geil, dass es das noch gibt. Das hat man vielleicht noch in Hamburg mit St. Pauli oder so. Im Kapitalismus verschwinden diese Orte aber immer mehr. Wie ich schon gesagt habe, habe ich 2019 mit meiner Band in Athen gespielt und das war einfach mal Kreuzberg mal 1000. Das war geil. Aber auch da ist die Scheiße wie Drogen und das Verhalten der Bullen viel schlimmer. Wir waren da auch eine Nacht auf der Wache. Das eine bringt das andere mit sich. Es gibt also immer zwei Seiten der Medaillen. Der Albumname ist nicht umsonst „Kreuzberg & Gomorrha“, denn Gomorrha schließt Kreuzberg nicht aus. Ich meine das im Sinne von Ying und Yang.

Du fremdelst ja auch etwas mit dieser Rapszene, wie sich in „Eine Runde 2020“ und „Rap zurück“ ja auch ausdrückt. Mit vielen dieser Attribute der Szene kannst du wenig anfangen. Aber jetzt bist du auch ein Chartrapper. Bist du angekommen?
(Lacht) ich bin jetzt offiziell ein Top 10-Rapper. Ein Chartrapper war ich ja schon mit den beiden Releases davor. Die Charts haben ja aber nicht mehr diesen allgemeinen Stellenwert, zumindest für mich nicht mehr. Für die Außenwelt, für die Schulhöfe, ist es wichtig. Daher finde ich es einfach so scheiße, dass du an so einer Kacke gemessen wirst. Wenn du auf Platz sechs stehst, finden das auf einmal alle überkrass und denken, du hast ausgesorgt. Dabei habe ich seit Corona soviel finanziellen Stress wie noch nie. Als Independent-Künstler, der fast alles selber macht, habe ich immer noch hart zu kämpfen. Das ist ein falsches Bild. Was mir hilft ist, dass mich durch die Charts vielleicht viele hören, die mich vorher noch gar nicht kannten. Aber die mich kannten, sind offenbar starke Supporter. Das höre ich von vielen Menschen und wenn man die Zahlen anschaut, ist das schon gut. Wer mich hört, hat auch die ganze Diskographie seit 2010. Das sagt mir diese Zahl: Dass diese Leute immer noch am Start sind und dass die am Ball bleiben. Manche springen ab und kommen dazu, aber die meisten, die mich begleiten, sind treu. Aber daran messen, auf welchem Platz du chartest, tun dich nur die Kids auf dem Schulhof. Ich spiele zwar auch damit, aber ich spiele es eher runter. Und jetzt? Hat es meine Musik verändert? Aber tatsächlich nimmt man einen ernster, was mich auch schon wieder stört.

Wie äußert sich das ernster nehmen?
Halt in der Industrie. Ich bin nicht so vernetzt, aber wenn man bestimmte Leute trifft, wie zum Beispiel Booker, treten die mir gegenüber schon anders auf. In der Rapszene sehe ich mich immer noch nicht. Ich sage gerne: Die ist ein Kreis und ich stehe außen. Ich habe auch nichts mit vielen Top 10-Rappern gemeinsam. Ich möchte und muss schon größer werden und überlege, was die nächsten Schritte sind. Wenn man zehn Jahre Independent ist, ist man irgendwann durch jede Tür gegangen, die sich einem geöffnet hat und die man öffnen wollte. Das würde ich aber auch, wenn ich Platz eins gewesen wäre. Ich bin nie fertig. Es gibt immer Sachen, über die ich mich auskotzen will. Viele Rapper sind gegen die Szene, wenn man dann aber da mal stattfindest, bist du nicht automatisch einer von denen. Cool, dass ihr mal berichtet, aber ich bin jetzt nicht satt. Cool, dass es mal ein bisschen Respekt gibt. Aber ich fühle mich unter dem Radar.