Wenn der Punkopa erzählt

Ich möchte alt sein/Ich möchte schimpfen/Auf die jungen Leute/Und ihre Scheiss Welt/Denn es wird alles immer schlimmer. [PISSE Alt sein]

Letztens brachte mir mein stetig sinkender Szenestern tatsächlich doch noch einmal einen Gästelistenplatz für ein Festival ein. Ich freute mich wie Bolle, aber leider fiel das Fest für mich aus, weil ich überraschend für 14 Tage in ein Krankenhaus musste und an allerlei Tropfe gehängt wurde. Angesichts meines eigenen Verfalls und des Verfalls um mich herum kam ich ins Grübeln.

Ich sah den Tatsachen ins Auge. Wäre ich Lehrer, Erbe reicher Eltern oder Immobilienbesitzer, wäre in meinem großzügigen Altersruhesitz sicherlich Platz für meine schöne Plattensammlung. Ich bin nichts davon. Meine Zukunftsperspektive: Das 18 qm – Einzelzimmer im AWO-Pflegeheim für das die Rente und das Pflegegeld draufgehen werden. Ich machte mir nichts vor. Das Schippy-Schallplatten-Museum-des-tadellosen-Geschmacks wird es nicht geben und mein Nachwuchs interessiert sich einen Dreck für Vinyl. Für einen Berg Platten wird kein Platz in meiner Heimstatt sein. Unsere Muttis dürfen ihr „gutes Geschirr“ ja auch nicht mitnehmen.

Jetzt bin ich dabei, meine Sammlung auf 200 Platten einzudampfen, die mir wirklich etwas bedeuten. Der Rest wird (hoffentlich) verkauft. Freund Swen, der gewiefte Ex-Banker, hält den Zeitpunkt für klug gewählt. Schnell noch über Los gehen, bevor all die anderen Babyboomer ihren Kram auf den Markt schmeißen, um ihre traurigen Renten aufzubessern.

Dank meines Zimmernachbarns durfte ich im Krankenhaus nach langer Abstinenz mal wieder Fernsehen gucken. In brüllender Lautstärke. Ich verpasste nichts. Das Programm schien ausschließlich für alte Menschen gemacht zu werden. Es wimmelte vor Best-Agern, Silver-Agern und Gold-Agern, die noch dringend einen hohne Berg besteigen mussten, im Tandemsprung aus dem Flugzeug fielen oder auf bescheuerten Kreuzfahrten den Pinguinen guten Tag sagten.

In unseren Kreisen heißt das dann „Old is the new young“. Wir gehen auf wie-für-uns-gemacht Konzerte und Festivals, unternehmen weite Reisen und bleiben konsumfreudig bei cooler Musik in Bewegung. Ich kam schon wieder ins Grübeln. „Forever young“ am Arsch, dachte ich, so will uns die Freizeitindustrie doch haben.

Ich fasste einen Entschluss. Bis meine Zeit als „sabbernder Lappen“ [Frank Drebin] im AWO-Heim gekommen ist, werde ich extra-alter Sand im Getriebe sein. Zebrastreifen immer in der rush hour überqueren. An der Supermarktkasse immer genau passend zahlen. Den Pfandautomat blockieren, immer mit ein paar Flaschen im Gepäck, die der Kack-Automat garantiert nicht nimmt. Im Saturn will ich den Filialleiter sprechen, weil meine Maus nicht richtig funktioniert und ich das Ding doch vor 6 Monaten da gekauft habe. Am Montagmorgen wird das Wartezimmer mein Revier. Das junge Partyvolk hat halt länger auf den gelben Schein für die Arbeitswoche zu warten. Die Königsdisziplin aber wird die tägliche U79-Fahrt. Vorgeblich hilfesuchend werde ich bevorzugt junge Menschen aus ihrer Smartphone-Isolation reißen, um dann mit einem „Kennen Sie eigentlich die Sleaford Mods? Ich kann ihnen da was erzählen …“ zu einem längeren Monolog anzusetzen. Dabei werde ich freundlich in ihre verständnislosen Ach-du-Scheiße-Gesichter schauen.