Interview: LINKEN-Abgeordnete Katharina König-Preuss über ihre Punkrock-Rede im Thüringer Landtag

Reden von Parlamentarierinnen in deutschen Landesparlamenten sind nicht gerade das, was in sozialen Netzwerken in Punkerkreisen massenhaft Verbreitung findet, was wohl auch daran liegt, dass sich Ratte und Kotze in der Regel nicht so für Bodengebietsreformen interessieren.

Aber in dieser Woche flutete ein Video meine Timeline. Es zeigte Katharina König-Preuss, Abgeordnete der Partei DIE LINKE und Sprecherin für Antifaschismus, Netzpolitik und Datenschutz im Thüringer Landtag in überraschend schlechter Bildqualität (Hey Thüringen, HD-Kameras kosten auch nichts mehr!) bei einer Parlamentsrede am 27. September 2018. Dass die Rede auf Facebook, Twitter und MySpace (who knows?) ein Renner wurde, lag natürlich am Inhalt. Thema war ein Antrag der AfD und Inhalt war Punkrock. Genauer gesagt war die Rede aus 30 Namen deutscher Punkbands gestrickt. Für Außenstehende befremdlich, für Auskenner ein großes Fest. Viele suchten erfreut, einige freuten sich, dass sie dabei waren.

Deswegen sprach ich am Freitag Abend noch eben mit Katharina am Telefon. Einen Ausschnitt gibt es hier. Das Interview in voller Länge über ihre Punkzeit in Jena, wie sie heute noch mit Morddrohungen umgeht, ihre Freundschaft zu Feine Sahne Fischfielt und mehr findet Ihr in der nächsten Print-Ausgabe des Plastic Bomb! Doch zunächst die Rede, um die es geht:

Plastic Bomb: Katharina, Du hast am Donnerstag eine Rede im Thüringer Landtag gehalten, in der Du in 6 Minuten 30 Punkbands „versteckt“ hast. Kannst du mir den Anlass nennen?

Katharina König: Die AfD hat einen Antrag mit der Zielstellung eingereicht das Landesprogramm gegen Rechts zu diskreditieren. Der konkrete Anlass war dieses Mal ein Rock gegen Rechts-Festival, das am 19. Oktober in Mühlhausen stattfindet und für das es eine anteilige Finanzierung über dieses Landesprogramm gibt. Die AfD versucht seitdem sie im Landtag sitzt, immer mal wieder mit unterschiedlichen Anträgen und Anfragen kontinuierlich gegen dieses Landesprogramm zu schießen. Die Fraktion will es eigentlich abschaffen und probieren so, es zu diskreditieren. Es war relativ schnell klar in meiner Fraktion, dass ich zu diesem Antrag reden werde. Der Tagesordnungspunkt sollte eigentlich am Freitag drankommen und dann saß ich Mittwoch Abend da, schrieb die Rede. Da habe mir überlegt, dass ich eigentlich keinen Bock habe, schon wieder das zu sagen, was wir der AfD immer sagen, also wieder zu erklären, was der der Sinn des Landesprogramms ist, warum bestimmte Gruppen, Vereine, Strukturen, Initiativen, Bands und so weiter finanziert werden. Das ist an unterschiedlichen Stellen im Landtag schon 20 bis 30 Mal gesagt worden. Es bringt nur nichts.

Dann habe ich mir den Antrag der AfD angeschaut und gedacht, OK, die zitieren da ja sogar direkt Titel von Punkbands wie „Die Probleme eines Assis beim scheißen“ (lacht). Gut, die gehen gerade Punkrock an, die gehen das Landesprogramm an und irgendwann reichts. Dann sollte man nicht mehr auf der klassischen Ebene agieren und reagieren, sondern das Ganze auf die richtige Ebene heben, nämlich mit Punkrock selber zu antworten. Erst habe ich überlegt, ob ich das mit Zitaten aus einzelnen Liedern schaffe, aber das war ganz schön zeitaufwendig. Ich habe meine alten Alben nicht mehr gefunden und einen Kassettenrecorder habe ich nicht mehr. Ich wusste also gar nicht, wie ich meine alten Schlachtrufe-Sampler abspiele und alles gibt es ja auch nicht online. Und eigentlich hatte ich auch gar keine Lust so lange zu reden und so viel Zeit zu investieren. Dann kam irgendwann die Idee, dass es doch so geile Punkrock-Bandnamen gibt. Da dachte ich mir, dass ich einfach die Bandnamen nehme und es darüber probiere.

Ich dachte auch, ich hätte am Donnerstag über noch Zeit, an der Rede zu arbeiten, weil ich dann auch Lust hatte, möglichst viele schöne schlechte Punkrock-Bandnamen einzubauen (lacht). Leider kam der Antrag doch schon Donnerstag Abend dran und nicht wie ursprünglich gedacht Freitag früh.

Da fragt man sich natürlich: Woher hast du dieses profunde Punkrockwissen? Bist du etwa Plastic Bomb-Abonnentin?

Ich gestehe, ich bin noch keine Plastic Bomb-Abonnentin (lacht). Es hat mehr mit meiner Sozialisation zu tun. Mit 13 oder 14 Anfang der Neunziger Jahre war bei mir die Punkerzeit. Mein kompletter Freundeskreis waren Punks. Irgendwann veränderte sich auch bei mir Haarschnitt, die Haarfarbe und der Kleidungsstil und alles, was dazu gehört. Ich glaube mein erstes gekauftes beziehungsweise kopiertes Album war aus der Schlachtrufe-Reihe. Da kamen schnell andere hinzu und ich besuchte diverse Mini-Konzerte, wo ich gar nicht mehr weiß, wie die Bands hießen. Das war Orten, wo gar nicht nach Duschen gefragt wurde und wo man froh war, wenn Toiletten mit Wänden drum da waren (lacht). Also klassische Punk-Sozialisation.

Mehr als die Hälfte der Bands von den Schlachtrufe-Alben habe ich selber auf Konzerten gesehen, auch in der JG Stadtmitte in Jena, wo ich später selbst als Sozialarbeiterin gearbeitet habe und wo auch viele Punkkonzerte stattfinden. Also ein paar der genannten Bands habe ich selbst gesehen, zum Beispiel Pfandflaschenkommando oder Rücksitzpogo, die man ja vielleicht nicht unbedingt bundesweit kennt (lacht). Aber in Thüringen haben die eine kleinere Relevanz gehabt.

Wie haben deine Fraktions- und Parteikolleginnen auf die Rede reagiert, vor allem Ministerpräsident Bodo Ramelow?

Bodo kam einen Tag danach zu mir und sagte „Ganz stark!“ Das war relativ kurz aber prägnant, aber so ist er ja. Ansonsten glaube ich, dass weniger als die Hälfte es überhaupt verstanden hat. Freitag früh kamen noch Abgeordnete aus meiner Fraktion die gefragt haben, wieso diese Rede eigentlich von so vielen Leuten auf Facebook als lustig befunden wird, was sie überhaupt nicht verstehen. Denen musste ich das erst einmal erklären. Ich glaube, man kann es nur lustig finden und verstehen, dass es eine Möglichkeit ist, irgendwie mit der AfD umzugehen, wenn man einen Punkrock-Bezug hat. Sonst funktioniert das höchstwahrscheinlich gar nicht.

Und wie die Opposition, insbesondere die AfD? Welche Zwischenrufe gab es bei der Rede?

Naja, den Ordnungsruf für „Fucking Faces der AfD“ gab es, weil die AfD das per Zwischenruf mehrfach eingefordert hat. Dann gab es Zwischenrufe wie „Aber Beethoven hatte nichts mit Punkrock zu tun“ oder „Da war jetzt kein Musikstil für mich dabei“ und „Typisch links“ oder „Typisch linksextrem.“ Ich nehme aber ja auch nicht alles wahr, wenn ich da vorne stehe, was an Zwischenrufen kommt. Aber die AfD war schon ein bisschen angefressen (lacht). Das mit Stahlgewitter haben sie nicht ganz verstanden. Da hatte ich gehofft, dass sie zumindest das zuordnen können.

Auch in Hamburg hat sich die AfD schon einmal über Slime echaufiert. Ist das nicht eigentlich auch gut, dass Punk immer noch die Richtigen provozieren kann?

Das ist ja eine Grundaufgabe von Punk! Wenn Punk nicht mehr provozieren würde, dann bräuchte es Punk auch nicht mehr. Das ist ein Muss, ein originärer Bestandteil. Und wenn wir in anderen Zeiten leben würden, würden wir uns ja alle darüber freuen und es witzig finden, dass Punks, die ja bekannt dafür sind, auch mal schnorren zu gehen, auch mal den Freistart Thüringen anzuschnorren und darüber ein komplettes Rock gegen Rechts-Konzert mit einer Aufklärung im Vorfeld finanziert zu bekommen. Das ist doch eigentlich schon wieder geil. Jetzt aus der Schnorrerperspektive von Punkern: Respekt, würde ich mal sagen.

Aus unserer Facebook-Community kam die Frage, warum du nicht Eisenpimmel aufgegriffen hast. Ich gebe die Frage mal weiter.

Das hätte ich gern. Es gab noch ein paar andere Bands, zum Beispiel Pöbel & Gesocks. Die hätte ich auch noch gerne mit reingenommen oder Kotzreiz oder Brechreiz. Das hätte ja auch gepasst. Am Ende war der Grund, dass ich dachte, ich hätte noch mehr Zeit für die Rede und die erst am Freitag dran käme. Dann hätte ich am Donnerstag auch noch ein paar Lieder hören und mich einstimmen können (lacht) und mir überlegen, ob mir  noch drei, vier weitere Möglichkeiten einfallen, wie man weitere Punkbands aneinanderreihen kann, so dass es noch Sinn im Hinblick auf den Antrag der AfD ergeben. Dann sagte mir aber unser parlamentarischer Geschäftsführer eine Stunde zuvor, dass der Antrag noch Donnerstag drankommt. Ups, OK. Dann sind leider ein paar Bands, die auch gar nicht so unwichtig sind, an der ein oder anderen Stelle nicht mit aufgenommen worden. Aber vielleicht gibt es ja irgendwann eine zweite Möglichkeit, das zu machen. Es hatte keine inhaltlichen Gründe.

Mehr über Katharinas Arbeit unter www.haskala.de