FLOMB! Frank Ludes seine große Ein-Mann-Band
SCHLIMME ZEITEN GAB ES SCHON IMMER! Wir erinnern uns an die Zeit der großen Krisen des Punkrocks, als wir auf einmal feststellten, BASH! machen dicht, NONSTOP STEREO beantragen noch nicht einmal Überbrückungsgeld. Und irgendwie schien die Welt auf einmal ohne Sinn. Den gibt es jetzt wieder, denn der Grandseigneur des intelligenten Deutschpunks Frank Ludes haut einfach mal so ein Riesenhitalbum, Besprechung im nächsten Plastic Bomb, raus. Grund genug den freundlichen Misanthropen und Hobby-Solipsisten aus Krefeld hier mal zu Wort kommen zu lassen.
Gib es zu Frank, du hast die Corona-Krise vorausgesehen und allein schon deswegen frühzeitig begonnen, Musik allein im Keller einzuspielen! Oder wie kann es sein, dass du als One-Man-Band auf einmal wie ein Krisengewinner dastehst?
Wenn es so wäre wie du vermutest, könnte ich mir selber nicht mehr in die Augen schauen! Sicherlich hätte ich Mittel und Wege gefunden die Menschheit vorzuwarnen. Somit hätte ich etliche Leben gerettet und wäre de facto der Krisen Gewinner von Welt.
Die One Man Band hat sich eher so ergeben, als dass sie geplant gewesen wäre. Passt aber scheinbar irgendwie in diese zähe Zeit. Nonstop Stereo sind ja bereits seit 2018 nicht mehr in Aktion getreten. Daher glaube ich, ein einigermaßen Wasserfestes Alibi zu haben, wenn man mich auf das vorhersehen und verschweigen einer Pandemie festnageln würde.
Wie schaffst du es dich kreativ zu motivieren, neue Songs aufzunehmen. In einer Band wechseln da ja die Zugpferde und es gibt eine beinahe zwangsläufige Gruppendynamik: Proben, Aufnehmen, Platte, Tour, Abhängen, Proben, Aufnehmen und so weiter.
Tatsächlich ist es so, dass man den Mitgliedern in einer Band gegenüber einer gewissen Verbindlichkeit schuldig ist, wenn man es mit einer gewissen Ernsthaftigkeit verfolgen will. Die Motivation wird natürlich durch Bandmitglieder vorangetrieben und Mitglieder habe ich als One Man Band ja nicht. Da momentan sowieso nicht viel Zeit und Raum vorhanden ist sich Freizeitaktivitäten zu widmen, füllt das Aufnehmen und ausdenken von Liedern eine Lücke. Nicht zuletzt, macht mir das ein höllisches Vergnügen. Das Aufnehmen von Songs sowie das Tüfteln und Filmen von DIY Video Clips schürt während und nach der Fertigstellung auch einen gewissen Grad an Zufriedenheit. Ich finde es immer super, wenn ich in irgendeiner Form kreativ sein kann.
Der Zwakkelmann hat es ja eine ganze Zeitlang so gehalten wie du. Er selbst ist aber live aufgetreten und hat später die Bigband dazu geholt. Beides ist für dich unvorstellbar?
Irgendwie nein. Auch wenn das bei ZWAKKELMANN super funktioniert, muss das bei mir nicht auch so sein. Ich hatte 2010 mal ein paar Solo-Auftritte und dargeboten wurden Bash!-, Nonstop Stereo- und ein paar Cover-Songs. Das allgemeine Feedback war eher bescheiden. Es fehlte an einer Rhythmus Sektion. FLOMB! alleine auf die Bühne zu bringen, hätte wenig mit Live Mucke gemein, denn das meiste müsste aus der Konserve vom Band abgespielt werden. Ich müsste dazu z.B. Gitarre spielen und singen. Ist technisch sicherlich nicht unmachbar, aber steht nicht zur Debatte.
Das Vatersein spielt in deinem Leben eine große Rolle. Das spiegelt sich jetzt auch musikalisch wider. Ein Kinderlied für Vincent, in dem das Vertrauen zur Polizei eine Rolle spielt. Da hast du bestimmt zweimal überlegt, oder?
Mein Sohn Vincent hat sich immer mal Themen gewünscht, über die er gerne ein Lied gehört hätte.
Irgendwann war ihm bewusst, dass sein Vater eigene Lieder macht.
Soweit als möglich, habe ich ihm die Wünsche erfüllt. Bei dem Song, den Du ansprichst, namens „Die Leute von der Polizei“, handelt es sich eher um einer Berufsbeschreibung und wurde kürzlich mal mit „Polizisten“ von Extrabreit verglichen. Ich fand, das war ein cooler Vergleich. Da man bei einem Lied für Kinder die ACAB Attitüde nicht hervorkrempeln kann oder sollte, war das eine für mich gute Möglichkeit, das Lied über die Polizei umsetzen zu können. Das Lied ist auf dem Album, weil es eine andere Fassung ist, als die, die Vincent bislang kannte. Die erste Version basiert auf Akustik Gitarren und schwirrt auf YouTube rum.
Grundsätzlich finde ich es spannend und auch sehr sinnvoll, sich an Musik für Kinder zu wagen. Ist halt mal was anderes und die Zielgruppe nimmt stetig zu.
Anders ist es beim Reinhard Mey-Cover: ‚Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht!‘ Das ist sicher einer der besten Mey-Songs überhaupt. Wie siehst du das, ist da eine konkrete Angst hinter? Ich meine, früher sind die Kinder einfach an die Front gezogen worden…
Das Lied hat Sinn und Geist ohne Ende und ich fahre schon Ewigkeiten darauf ab. Es geht dabei ja um das Wohl von Kindern und der absoluten Sinnfreiheit, sich als Kanonenfutter „anzubieten“. Man kann dafür Sorge tragen, dass den Kids nichts passiert, sich für sie einsetzen, den Kopf hinhalten, sie bis aufs Blut verteidigen und sie beschützen, aber wenn sie erwachsen sind und sich irgendwann entscheiden, Dienst an der Waffe tun zu wollen, ist es kaum möglich dem etwas entgegen zu bringen. Und dann wäre definitiv konkrete Angst dahinter.
Du drehst deine Videos selber, machst sogar das Coverartwork… mehr D.I.Y. geht eigentlich nicht.
Es ist für mich eine super Möglichkeit, das Dasein in einer Band zu generieren. Auf eigene Faust und Verantwortung sowie schallisoliert in meinem Keller. Gerade jetzt, wo man eh kaum die Möglichkeit hat, mit anderen Leuten aktiv zu sein, ist das alles selber machen eine super Alternative. Die Möglichkeiten zu haben ist super, das Umsetzen ist allerdings nicht immer mal eben gemacht. Denn das ist ein ziemlicher Zeitfresser. Wenn auch ein sehr angenehmer.
Kommunikation läuft nun über soziale Medien. Ist schon komisch, Facebook ist der beste Freund in der Pandemie. Fragst du dich manchmal, ob das alles so gut ist oder bist du darüber hinweg?
Ja definitiv! Ohne soziale Netzwerke oder eine Homepage könnte man ein solches Projekt wie eine One Man Band kaum Publik machen. Ohne YouTube zum Beispiel, könnte man es sich sparen Video Clips zu machen. Und ohne die anderen Sozialen Netzwerke wäre es wesentlich mühsamer, auf sich aufmerksam zu machen. Es ist ein super Mittel zum Zweck und ich habe keinen Greul dagegen. Aber abgesehen von den eigenen Belangen, sind soziale Netzwerke wahrhaftig gerade jetzt eine sehr geschätzte Methode, was von anderen Leuten mitzubekommen. Andererseits wird durch diese Medien und die Zugänglichkeit für Jedermann auch unglaublich viel Schrott Publik gemacht. Wenn man Informationen ausschließlich z.B. über Twitter mit maximal 280 Zeichen, oder sogenannten „Memes“, also Bildern mit kurz beschriebenen Sätzen oder Schlagwörtern bezieht, ist eine Verdummung vorprogrammiert. Daher sind Soziale Medien zu Recht stark diskutabel.
Wenn man so allein im Kämmerlein Musik macht, wie ändert sich der Blickwinkel auf die Punkszene, auf aktuelle Diskussionen wie zum Beispiel die Sexismus-im-Punk-Geschichte? Oder darf da eine Ein-Mann-Band nichts drüber sagen, denn die Quote wirst du wohl nicht erfüllen?
Es ändert sich nichts. Das ich alleine Musik mache, soll ja nicht bedeuten, dass ich mit niemanden mehr was zu tun haben möchte. Ich kapsel mich also nicht ab oder verkrieche mich. Ich freue mich genau wie alle anderen auch darauf, wenn man mal wieder auf Konzerte gehen kann. Ohne die Punk Rock Szene hätte ich musikalisch nicht viel reißen können. Punk Rock ist nach wie vor meine favorisierte Musikrichtung. Ich habe versucht, das auf dem FLOMB! Album widerzuspiegeln und ich habe auch vor, das weiterhin zu tun.
Grundsätzlich bist du mit deinen Texten eher im Privaten und beobachtest die Welt mehr, denn sie zu bewerten. Aber wann ist dir das letzte Mal richtig die Hutschnur hochgegangen?
Einer muss ja die Welt im Auge behalten und Bescheid geben, was passt und was nicht. Aber ich bewerte durchaus und das nicht nur im positiven Sinne, wenn ich es mir hier erlauben darf, dir zu widersprechen. Da ich bevorzugt versuche, mich weitestgehend mit unbequemen Fakten und Tatsachen zu arrangieren, habe ich ein konkretes und aktuelles Hutschnurplatzen gerade nicht parat.