Kunst ist kacke!
Kommentar zum kulturellen Lockdown im November
Mir ist vollkommen klar, dass ein Nichthandeln der unkontrollierten Ausbreitung des Virus sicher Vorschub leistet. Aber was hier als alternativloses Paket verkauft wird, leistet dem Kampf gegen das Virus einen Bärendienst.
Ein erneutes Runterfahren des kulturellen und sportlichen Lebens stellt eine erhebliche Gefahr für die Akzeptanz und Toleranz sowie der Wahrung des sozialen Friedens dar.
Die erneute Schließung von Bars, Clubs und Restaurants ist ein Schlag ins Gesicht für die Betreiber , Besucher und Künstler, die sich teilweise im vorauseilenden Gehorsam als Klassenbeste in Sachen Hygienekonzepte bewiesen. Wer die Segel nicht schon während der ersten Welle streichen musste, der wird spätestens jetzt in seiner Existenz bedroht.
Dabei sorgt das soziale Miteinander in den Kulturbetrieben für den dringend notwendigen kulturellen Kit in der Gesellschaft. Begegnungen mit anderen Menschen sind notwendig, um für die Sorgen und Nöte anderer Menschen offen zu sein. Der Mensch ist für die Isolation nicht gemacht. Aus diesen Gründen werden die Schulen offen gehalten, weil man es bei Kindern am schnellsten merkt, wenn sie zu sehr allein sind. Den Schatten, den meine Schüler aus den Coronaferien mitbrachten, wird man noch Jahre später spüren. Es gibt zahlreiche Studien, die die krankmachende Wirkung der Isolation (siehe https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/so-sehr-kann-uns-einsamkeit-krank-machen/) beschreiben. Auf die Fläche hingegen gerechnet, werden die Probleme, die hier beschrieben werden, exponentiell wachsen und neue hinzukommen. Zunehmend beobachte ich die Gereiztheit vieler Mitbürger, die scheinbar anlasslos explodieren. Ich denke, das wird dem Wutbürgertum und damit auch den Schwurblern in die Hände spielen.
Gerade beobachte ich in meiner Filterblase, dass die Formulierungen gegen die Maßnahmen der Regierung denen immer ähnlicher werden, die das Lager gewechselt haben. Künstler sind nun einmal von Natur aus Querdenker. Und auch, wenn dieser Begriff mittlerweile ein Synonym für Covidioten ist, so war in ihm einmal nichts Verwerfliches. Nicht von ungefähr fallen uns häufig Künstler auf, die scheinbar völlig unerwartet im anderen Lager landen. Der Reflex bei diesen Grenzgängern ist es ja immer, dass man draufhaut und sie aus der Gemeinschaft der Denkenden ausstößt. So auch bei mir! Deswegen bin ich auch sehr sensibel für solche Vorgänge. Und mein Gefühl sagt mir (sorry, auch das gibt es!), dass bald einige mehr umkippen und sich aus dem Elfenbeinturm der Vernunft verabschieden. Und ich kann es – wenn auch nicht gutheißen – verstehen.
Wie will man denn auch verstehen, dass Clubbetreiber die Hütten dicht machen, Kirchen aber geöffnet bleiben (https://www.katholisch.de/artikel/27403-corona-offenbar-keine-verschaerfungen-bei-gottesdiensten-geplant)?
Wie will man als Schüler verstehen, dass man ganztägig in Klassen mit 30 und mehr Mitschülern ohne Abstand eingepfercht ist, aber am Nachmittag ohne Kontakt zu Hause bleiben soll?
Wie will man als Sporttreibender verstehen, dass man bspw. kein Tischtennis mit dem Abstand einer Platte spielen darf, aber die Fußballbundesliga weiter läuft?
Diese und ähnliche Fragen des Verständnisses mit Solidarität zu erklären, fällt schwer. Denn Solidarität kann nicht immer nur eine Einbahnstraße sein. Jeder ist sich selbst der nächste! Und das ist auch gut so! Aus der Position, dass man selbst ernst genommen wird, wird man auch für andere da sein können. Dazu braucht es Stärke, die man bekommt, wenn ein Ausgleich besteht. Und dieser wird nicht durch Kirche und Bundesligafußball hergestellt, sondern durch die Kultur und den Sport in Gänze!
Die Menschen werden sich den Ausgleich holen, indem sie sich privat treffen, wie es junge Menschen völlig selbstverständlich machen. Und das ist nicht asozial sondern ein menschliches Grundbedürfnis. Und wenn diesem Bedürfnis nicht geregelt nachgegangen wird, werden ungeregelte Ersatzveranstaltungen die Folge sein, die dann für weitere Infektionsketten oder für Denunziationen sorgen. Wer dagegen verstößt, wird sich vielleicht insgeheim als Rebell fühlen und hat sich damit schon ein weiteres Stück von der Gesellschaft entfernt. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
Monatelang hat man Schwurbler ohne Maske schwurbeln lassen, mussten sich Lehrer von Eltern beschimpfen und bedrohen lassen, weil ihre Kinder im Unterricht Maske tragen müssen, oder sind Maskenverweigerer in öffentlichen Verkehrsmitteln mit Samthandschuhen angefasst worden …und jetzt das! Das Versagen der Gesellschaft in Bezug auf die Covidioten wird mit einer Kollektivstrafe für alle beantwortet.
Und erzähle doch bitte keiner, dass es alternativlos war. Es wird doch sonst auch immer so gerne nach dem harten Staat gerufen, jetzt gäbe es einen Grund. Konsequentes Durchgreifen bei Maskenverweigerern wäre doch ein Anfang gewesen? Maskenpflicht für die Schüler im Unterricht (in NRW) gar nicht erst aufheben, wäre eine gute Idee gewesen. Und stattdessen die Maskenpflicht wenigstens auf dem Pausenhof etwas lockern, damit sich die Schüler nach 8 Stunden Schule nicht außerhalb des Schulgeländes erleichtert ohne Maske um den Hals fallen müssen.
Auch hätte man Angebote schaffen können, wie Kulturtreibende ohne nicht nachvollziehbare finanzielle Hilfen Kultur betreiben könnten. Zum Beispiel durch Angebote für Schüler in den leerstehenden Veranstaltungslokalitäten, damit in den Schulen vor halben Klassen unterrichtet werden kann?
Man hätte, hätte, hätte … einfach mal ein wenig kreativ sein können. Aber die Entscheider sind halt keine Künstler sondern Technokraten.